: Die Angst fährt mit
Das „Sattelfest“ bei Hannoversch-Münden überschreitet Ländergrenzen. Für Flüchtlinge ist das ein Problem
Eigentlich stand das gestrige „Sattelfest“ rund um Hannoversch-Münden allen offen, die sich auf einem Fahrradsattel halten können. Flüchtlinge konnten das Vergnügen allerdings nur eingeschränkt genießen. Denn Asylbewerber, deren Verfahren noch läuft, sowie Flüchtlinge mit einer Duldung unterliegen der Residenzpflicht.
Weil das Sattelfest, an dem auch gestern wieder tausende Fahrradfahrer teilnahmen, die Landesgrenzen zwischen Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Hessen überschreitet, gab es in den vergangenen Jahren immer wieder Probleme. „Asylsuchende und Geduldete mussten sich in der Menge der anderen Radlerinnen und Radler regelrecht verstecken“, berichtet der Sozialarbeiter Thomas Aleschewsky. Die meisten Flüchtlinge hätten keine Reiserlaubnis über die Kreis- oder Bundesländergrenzen hinweg gehabt.
Spätestens in diesem Jahr, meinten Aleschewsky und seine Mitstreiter, sollten jedoch alle Teilnehmer des Sattelfestes „angstfrei mitradeln“. Aleschewsky bat deshalb bereits im Vorfeld die betroffenen Behörden, allen Ausländern für Sonntag das Verlassen des ihnen zugewiesenen Bereichs zu gestatten. Diese Erlaubnis solle pauschal sein und am besten öffentlich in den Zeitungen bekannt gemacht werden.
Kopien seiner Briefe schickte Aleschewsky an Prominente unterschiedlicher Provenienz. Zu den Adressaten zählen die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Marieluise Beck (Grüne), sowie der neue Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer und Ex-Kanzler-Kandidat Rudolf Scharping (SPD).
Während die meisten Angeschriebenen gar nicht reagierten, antworteten immerhin die Ausländerbehörden der Landkreise Kassel und Höxter. Tenor: Interessierte Asylbewerber müssten persönlich bei der Ausländerbehörde einen „Antrag zum Verlassen des räumlichen Bereiches der Duldung bzw. der Aufenthaltsgestattung“ stellen. Sofern nicht gewichtige Gründe gegen ein Verlassen des räumlichen Bereiches sprächen, so wurde großzügig versichert, gebe es auch eine entsprechende Erlaubnis.
„Angesichts der Wettervorhersage ist so etwas gar nicht praktikabel“, hielt Aleschewsky in einem Retour-Schreiben dagegen. Seine „Gäste“ wollten sich spontan entscheiden. „Sie werden sich – wie jeder andere Mensch auch – daran orientieren, ob es am Sonntag gutes oder schlechtes Wetter gibt.“
Im Flyer zum Sattelfest, so Aleschewsky, fehle ein „Warnhinweis“ auf die Landesgrenze Hessen-Niedersachsen. „Es wäre also vielleicht angeraten, eine Reisewarnung für Asylsuchende und geduldete ausländische Staatsangehörige an die Medien zu geben.“ Reimar Paul