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Archiv-Artikel

Die Kaff-Schriftsteller

Ein Abend zu Ehren von Arno Schmidt, dem Chronisten der norddeutschen Provinz, in ebendieser. „Aufs Dorf ziehen. Doof sein. Maul halten“, schrieb Schmidt. Der Bürgermeister war ein wenig nervös, die Krise blieb aber aus

Am Samstag kam die Kunst nach Bargen. Das Dorf an der Eider im Kreis Rendsburg-Eckernförde hat noch eine eigene Feuerwehr, und die Feuerwehr ist Kulturträger und entscheidet, wann gefeiert wird. Erklärte Bürgermeister Karl-Heinz Packmoor den Menschen, die der Kunst nach Bargen gefolgt waren.

Bürgermeister Packmoor war ein wenig nervös, weil die Veranstaltung hieß: „ ... auch in unserem Dorfe kriselt es, Marie!“ „Ich als Bürgermeister finde das nicht so“, sagte Bürgermeister Packmoor. „Es kriselt nicht, und wir sind kein Kaff.“

Aber was ist ein Kaff? Und wie lebt es sich darin? Arno Schmidt war so einer, der in „Kaffland“ lebte und darüber schrieb – „Kaff oder Mare Crisium“ heißt eines dieser Werke, „Kühe in Halbtrauer“ ein anderes. Die „Schule der Atheisten“ spielt in Tellingstedt, nicht weit weg von Bargen.

Schmidt, geboren 1914, gestorben 1979, hat immer noch viele Fans, Freunde, ergebene Bewunderer, und eine Veranstaltung zu Arno Schmidt zieht Gäste an – fast 100 kamen nach Bargen. Organisator Hans Glüsing, ein freundlicher Herr im Rentenalter, war selbst überrascht vom Zuspruch. Zum dritten Mal hatte er eine derartige Veranstaltung auf die Beine gestellt, mit durchaus prominenten Gästen: Schleswig-Holstein ist reich an Kaff- Schriftstellern, einige hatte Glüsing eingeladen.

Heiner Egge, Autor unter anderem des „Eiderboten“, las eine Geschichte, in der er Arno Schmidt aus dessen Haus in Bargfeld abholte und mit ihm durch Kaffland bis nach Bargen wanderte: „Hinterm Mond, sowieso“. Uwe Herms, Schriftsteller mit Wohnsitz in Poppenbüll, hatte eine Geschichte umgeschrieben: Ein Vielflieger will in Prinzenmoor ein „Institut für Moorbestattungen“ eröffnen und ein Museum mit leeren Vitrinen bauen, das sich allmählich füllt.

Für den dritten anwesenden Schriftsteller, Jochen Missfeld, der seine Geschichten im fiktiven Solsbüll spielen lässt, gab es ebenfalls eine Premiere: Er saß selbst im Publikum und ließ lesen – „das hat mir gut gefallen“, sagte er hinterher.

Eine Ausstellung begleitete die Lesung: Jens Rusch, der in Brunsbüttel lebt und arbeitet, hat unter anderem die „Schule der Atheisten“ bebildert: „Man findet heute noch die Charaktere, die Schmidt beschrieben hat.“

Ganz zum Schluss fragte Bürgermeister Packmoor etwas ratlos: „Und – kriselt es jetzt in Bargen?“ Die Antwort liefert Arno Schmidt. Oliver Jahn hatte seinem Vortrag das Zitat vorangestellt: „Aufs Dorf ziehen. Doof sein. Rammeln. Maul halten. Kirche gehen.“ Aber so übel, wie das klänge, habe Schmidt das Dorfleben nicht gefunden, erklärte Jahn. Das Zitat beginne nämlich mit dem Satz: „Was ist demnach das beste Rezept für ein Erdenleben?“ Esther Geißlinger