: Der Sinn ist los
Ringen um Evidenz: Die Vortragsperformance „The Art of Demonstration“, uraufgeführt auf Kampnagel
Bedeutung entsteht im Schreiben, im Sprechen, im Lesen und Hören. Der geschriebene Text ist ein Wortteppich, auf dem Elemente wie der Kontext seiner Entstehung und die Verfassung der Lesenden ihre Spuren markieren. Der wissenschaftliche Vortrag kann deshalb seinem Anspruch nicht gerecht werden, objektives Wissen zu vermitteln, so die These von Sybille Peters und Matthias Anton.
In ihrer Lecture-Performance The Art of Demonstration, uraufgeführt am vergangenen Freitag auf Kampnagel, legen die TheorieperformerInnen ihr Augenmerk auf die Magie des Vortragens. Statt einer Einführung spuckt Anton Feuer, um dann den Platz „der Wissenden“ hinter dem Stehpult für Peters frei zu machen. Diese erklärt, sie werde „das Sagen und Zeigen so kombinieren, dass sich etwas Drittes von selbst zeigt: Evidenz“.
Aber halt: Die Frau hinterm Katheder bewegt nur die Lippen, während ihre Stimme aus dem Off zu hören ist. Da tut sich die berühmte Kluft der Derrida‘schen „differance“ auf, jenes Hinweises auf Verschiebung, in diesem Fall der zeitlichen: Der Text ist längst auf CD fixiert, als das Medium ihn – im Voll-Playback – vorträgt.
Dann performt Peters eine Anatomievorlesung: Dias von nackten, teilweise aufgeschnittenen Frauenkörpern werden auf die Vorderseite ihres Pultes projiziert, so dass der Kopf der Vortragenden mit dem Bild verschmilzt, der Lehrkörper sein eigenes Objekt wird. Eine schöne Idee, so wie die, eine Teilnehmerin aus dem Publikum eine Mitschrift fertigen zu lassen, deren Entstehung alle anderen per Videobeamer mitverfolgen können; die Beschwörung Hannah Arends, Thomas Edisons und Jacques Derridas aus dem Jenseits. Diese Arrangements beleben das Totgesagte, zeigen lebendige Textproduktion, mixen die Ordnung des zeitlichen Nacheinanders zu einem Ereigniscocktail.
Doch fehlt der Performance der Spannungsbogen, die Entwicklung, die Dramatik. Das Beliebigkeitsthema kippt in die Form beliebigen Aneinanderreihens einzelner Teile. Theoretische Metaebene und theatrale Darstellungspraxis bleiben, den vielen Vermengungsversuchen zum Trotz, merkwürdig getrennt – nur ab und an blitzt Evidenz auf. Katrin Jäger