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Archiv-Artikel

Wir düsen im Sauseschritt

Mit freundlichen Grüßen von der Menschheit schunkelt die Raumsonde Voyager 1 seit 1977 durchs All. Dieser Tage überquert die stellare Flaschenpost ins Nichts die Grenzen unseres Sonnensystems

VON JENNI ZYLKA

Der Weltraum unendlich? Pah. Das wollen wir doch mal sehen. So weit wie die kleine Voyager 1 war jedenfalls noch nichts und niemand von zu Hause weg: Die Sonde schwebt, eiert oder schießt momentan über die Grenze unseres Sonnenssystems. 14 Milliarden Kilometer hat Voyager 1 seit ihrem Start im Jahr 1977 zurückgelegt, das sind über 10.0000 Tage ganz allein im All. Gefährlichen, „Star Trek“-mäßigen Turbulenzen zwischen elektrisch aufgeladenen Sonnenpartikeln und Weltraumgasen ist sie ausgewichen, der so genannten „Termination Shock Area“, und dass sie es überhaupt so weit schafft, dass sie die Grenze je erreicht, das hatten die Nasa-Ingenieure kaum zu hoffen gewagt.

Wo sie ankommen soll, ist schwer zu sagen. Sie hat noch ein bisschen Zeit, bis 2020, so sagen optimistische Wissenschaftler, könnte das kleine Raumschiff Daten senden, täglich wird die Sonde einmal von der Erde aus angefunkt, damit sie sich nicht ganz so allein fühlt vielleicht und natürlich um die Systeme zu testen. Ihre Hauptmission hat sie längst erfüllt: Die Voyager-Sonden 1 und 2 wurden ursprünglich ins All geschossen, um Jupiter und Saturn zu erkunden. Nach für die Weltraumforschung spektakulären Entdeckungen – aktive Vulkane auf dem Jupiter-Mond Io! – gondelte Voyager 2 weiter Richtung Neptun und Uranus. Und Voyager 1 dahin, wo es am schwärzesten ist, an Bord eine freundliche, hoffnungsvolle Mission, eine „kosmische Flaschenpost“, an wohlmeinende Außerirdische gerichtet, und mit extrem viel Glück fischen die Aliens die Flasche ja auch irgendwann aus dem Meer.

Wenn das nicht schon passiert ist und die menschlichen Botschaften nicht längst als Witz am Pinnbrett eines außerirdischen Büros hängen. Denn die 30 Zentimeter große Goldplatte, die an Bord der Sonde auf Entschlüsselung wartet, ist bereits die vierte Grußbotschaft ins Ungewisse. Pioneer 10 und 11 hatten 1972 Goldplaketten mit eingravierten Menschen an Bord, ein Mann und eine Frau, beide nackt, der Mann ist etwas größer und hebt seine rechte Hand zum interstellaren Hallihallo.

Grüße auf Sumerisch

Die vergoldeten Kupferplatten, die in Voyager 1 und 2 auf das Abspielen warten, sind noch vollgestopfter mit Informationen: 116 Bilder von der Erde, (bunte Kinder um einen Globus, eine stillende Mutter, eine Straßenszene aus Asien, ein alter Mann mit Hund und Blumen), 22 Musikstücke mit Klassik, Folkmusik und Rock ’n’ Roll, die „Murmurs of Earth“ – Geräusche wie Wind, Wasser und der Start einer Überschallrakete – und gesprochene Grüße in 55 Sprachen, darunter natürlich auch Deutsch, der chinesische Wu-Dialekt oder Akkadian, einem uralten sumerischen Idiom, das niemand mehr spricht.

Was genau die Grüße beinhalten, war damals übrigens den SprecherInnen selbst überlassen: „Es gab keine Instruktionen, außer dass es sich an Außerirdische richten und dass es kurz sein sollte“, erklärt eine der InitiatorInnen der Grußbotschaften, Linda Salzmann Sagan von der Cornell Universität. Was sagt man zu Außerirdischen, wenn die Zeit drängt? Servus, kommt doch mal vorbei? Hallo, bleibt bloß weg? Ich düse, düse, düse im Sauseschritt? Und bring die Liebe mit? Von meinem Himmelsritt?

Die Idee hinter den babylonischen Grüßen war aber – genau wie der Rest der Goldplattenkultur – wunderbar hippieesk: „Die Grüße sind eine aurale Gestalt, in der jede Kultur eine Stimme im Chor darstellt“, sagte Linda Salzmann Sagan damals. Das Universum sollte „gegrüßt werden als Repräsentant einer komplexen Gesellschaft, die aus vielen Teilen besteht“.

Interessant ist auch die Musikauswahl: Bachs zweites Brandenburgisches Konzert, Mozart, Strawinskys Frühlingsopfer, Beethovens fünfte Symphonie. Dazu Folklore aus Bulgarien und Peru und Panflötengepiepe von den Salomon-Inseln, aber auch „Johnny B. Good“ von Chuck Berry, „Melancholy Blues“ von Louis Armstrong und „Dark Was The Night“ von Blind Willie Johnson – ob die Aliens die Erde als traurigen Planeten voller Bluesmusik und ernster Volksweisen imaginieren?

Falls jemand dort draußen mithilfe der goldenen Platte den Weg zur Erde oder wenigstens den Mut zu einer Antwort findet, dann dürfen wir uns hier unten nicht wundern: Er wird Nackte erwarten, Tickets für Blueskonzerte auf dem Schwarzmarkt kaufen und vielleicht direkt nach zwei Gestalten fragen, die der Sonde damals noch persönliche Extra-Nachrichten beilegen durften: US-Präsident Jimmy Carter und UNO-Generalsekretär Kurt Waldheim.