piwik no script img

Archiv-Artikel

Tony Blair legt den Leerlauf ein

Britische Regierung will die Beratungen auf dem EU-Gipfel Mitte nächster Woche abwarten. Ist Blair europamüde?

Von ci
Schröder und Chirac repräsentieren nur 2 von 25 EU-Ländern, kommentiert Downing Street

LONDON dpa/taz ■ Die britische Regierung hat kühl auf die deutsch-französische Initiative für eine Fortsetzung des Ratifizierungsprozesses zur EU-Verfassung reagiert. Bundeskanzler Gerhard Schröder und der französische Staatspräsident Jacques Chirac repräsentierten in einer Europäischen Union mit 25 Mitgliedstaaten lediglich die Ansichten zweier Länder, hieß es nach Angaben der BBC vom Sonntag aus der Downing Street. Man wolle zunächst das EU-Gipfeltreffen Mitte Juni in Brüssel abwarten, bevor die Haltung der britischen Regierung zur EU-Verfassung dargelegt werde, hieß es. Zuvor will Blair sich noch einmal mit Schröder treffen. Der britische Außenminister Jack Straw wird heute vor dem Unterhaus aller Erwartung nach erklären, das für Frühjahr 2006 geplante Referendum über die EU-Verfassung werde auf unbestimmte Zeit vertagt.

Großbritannien hat in der zweiten Hälfte dieses Jahres die EU-Präsidentschaft und muss dann als Vermittler auftreten. Ein französischer Sprecher hat auf die „große Verantwortung“ Großbritanniens für einen Weg aus der Krise hingewiesen.

Britische Zeitungen haben am Sonntag berichtet, Tony Blair wolle die europäische Verfassung „begraben“, wie die Sunday Times schrieb. Sie zitierte Regierungsquellen, die es nicht einmal für möglich hielten, wesentliche Teile der Verfassung zu retten. Stattdessen wolle Blair im nächsten halben Jahr der britischen EU-Präsidentschaft lediglich kleine institutionelle Reformen anregen, um Europa transparenter zu machen. Der Sunday Telegraph meldete sogar, Blair habe alle europäischen Ambitionen aufgegeben und widme sich stattdessen ganz seinem Entwicklungsplan für Afrika. Die Regierung dementierte laut BBC diese Berichte.

Der britische EU-Handelskommissar Peter Mandelson, ein enger Berater Blairs, sieht durch das Nein der Franzosen und Niederländer zur EU-Verfassung die Amtszeit des Premiers verlängert. Ursprünglich war spekuliert worden, dass Blair nächstes Jahr zugunsten seines Schatzkanzlers Gordon Brown abtreten werde. Jetzt gibt ihm sein Vertrauter noch zwei bis drei Jahre im Amt: „Er hat eine neue Herausforderung“, sagte Mandelson in einem Fernsehinterview. ci