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Archiv-Artikel

Zwei Provinzen steigen auf

Siegen und Paderborn hoffen nach dem Aufstieg ihrer Fußball-Vereine auf einen zusätzlichen Imagegewinn. Beide Städte wollen den sportlichen Erfolg nutzen, um neue Projekte voran zu treiben

VON BORIS R. ROSENKRANZ

Erst kam IKEA, dann der Aufstieg in die 2. Bundesliga. Nach zähen Jahren des Wartens haben es die Sportfreunde Siegen ins Profi-Geschäft geschafft. Immer wieder hatte der Club den Aufstieg verfehlt, wäre sogar fast in die Oberliga abgestiegen – wenn sich nicht der Siegener Schilderfabrikant Utsch dem Mäzenatentum verschrieben und stetig Geld in den Verein gebuttert hätte.

Nach dem sportlichen soll nun der wirtschaftliche Erfolg in der südwestfälischen Stadt voran getrieben werden. Seit im Jahr 1998 neben dem Hauptbahnhof ein 23.000 Quadratmeter großes Shopping-Center hochgezogen wurde, hat sich viel verändert in der selbst ernannten „Provinz voll Leben“. „Hier passiert so viel Positives“ schwärmt Uwe Kraatz, Vorsitzender der Gesellschaft für Stadtmarketing Siegen (GSS). Der Handelssektor sei ausgebaut worden, kürzlich habe IKEA eine Filiale in Siegen eröffnet – und nun seien auch noch die Sportfreunde aufgestiegen. „Das ist eine deutliche Aufwertung“, weiß Kraatz, der Siegen gerne als „Herz“ oder „Oberzentrum“ der Region beschreibt.

In dieses Herz sollen in der nächsten Saison weitaus mehr Menschen vorstoßen als bisher. Kraatz rechnet mit bis zu 20.000 Fans, die künftig ins Siegener Leimbachstadion pilgern. Bisher lag der Schnitt etwa bei einem Viertel. Um dem neuen Ansturm Herr zu werden, wird vor allem das Stadion weiter um- und ausgebaut: Neben dem VIP-Bereich soll auch das gastronomische Angebot erweitert werden. Dennoch: Wenn die Sportfreunde bald vom Auswärtsspiel gegen die Münchner Löwen in der nagelneuen Allianz-Arena wiederkommen, dürfte die Spieler die Ernüchterung packen. Das Leimbachstadion ist keine Augenweide. Bis vor wenigen Jahren gab es hier nicht einmal Flutlicht.

Während die Siegener ihr Stadion nach und nach aufhübschen, soll in Paderborn Anfang Juli der erste Spatenstich für ein rund 15.000 Menschen fassendes Stadion gesetzt werden. Auch der Paderborner Sportclub hat am Wochenende den Aufstieg besiegelt – 22 Jahre nach dem Sturzflug ins Amateurgeschäft. Ähnlich wie die Sportfreunde hat auch der SC Paderborn 07 einen Geldgeber im Rücken: den Möbel-Verkäufer Wilfried Finke, der hofft, dass sich künftig eine Besucherwelle in das neue Stadion ergießen wird.

Willi Lünz, Pressesprecher des Paderborner Stadtmarketings, bezeichnet den Stadionbau als „besonders interessant“. Bei der Ratssitzung am 16. Juni solle entschieden werden, wie viel Euro die Stadt in das Stadion stecke. Den Rest trägt eine Betreibergesellschaft. „Ansonsten wollen wir natürlich den SC als Marketinginstrument einsetzen“, sagt Lünz. Eine Sportstadt sei Paderborn ja bereits. Allerdings eher bekannt für weniger populäre Sportarten wie Squash oder Baseball. Leibesübungen, die Medienpräsenz in der erzkatholischen Ostwestfalen-Stadt bislang vermissen lassen.

Deshalb hoffen Lünz und Bürgermeister Heinz Paus (CDU), dass die Medien künftig mehr Streicheleinheiten für Paderborn übrig haben. Und nicht nur dann, wenn gerade ein Schiedsrichterskandal die Runde macht. „Für das Image der Stadt ist der Aufstieg nicht unerheblich“, so Paus zur taz. Geplante Projekte würden zusätzlich an Schub gewinnen. So gelte es, weitere Übernachtungsmöglichkeiten zu schaffen. Kleinere Hotelbauten liefen bereits. Ein größeres Hotel solle folgen. Und wie in Siegen, wird in Paderborn bald ein Theater errichtet.

Der Wandel von der Provinz zur Stadt ist also in vollem Gange – in beiden Städten. Ein Wandel, der besonders in Siegen in den vergangenen Jahren Kritik mit sich brachte. Die größten Projekte in der chronisch klammen Kommune wurden im unteren Teil der an einem Berg gelegenen Innenstadt gestemmt. Shopping-Center, Kino-Klotz, Gastronomie, alles konzentriert sich rund um den Hauptbahnhof. Dort wird derweil noch ein weiteres Büro- und Einkaufszentrum gebaut – während die Oberstadt weiter brach liegt. Aber auch dort soll sich bald etwas tun, verspricht Siegens Stadtvermarkter Kraatz. Derzeit arbeite man an einem Konzept für das schon Jahre leer stehende Kaufhaus, in dem früher der „Kaufhof“ residierte. Bis wann das Projekt realisiert wird, ist noch offen. Vielleicht ist Siegen dann schon erstklassig.