Ortsrecht bricht Landesrecht

MASTINDUSTRIE Mensch und Tiere müssen laut Bauordnung im Brandfall auch aus Massenställen gerettet werden. Lästig, findet der Emsland-Kreis und ignoriert das Gesetz bei neuen Genehmigungen wieder

Der Gutachter rät, die 83.900 Tiere einzeln aus dem brennenden Stall zu tragen

Die Tiere müssen jetzt wieder verbrennen. Zwar schreibt auch die niedersächsische Landesbauordnung vor, dass „die Rettung von Menschen und Tieren möglich“ sein muss, wenn in Ställen ein Feuer ausbricht. Als im Herbst 2010 eine Bürger-Ini darauf aufmerksam machte, hatte der Landkreis Emsland deshalb die Genehmigung von Industrie-Mastställen gestoppt.

Das ist nun vorbei: In Wippingen bei Dörpen darf eine Anlage für über 80.000 Hühner gebaut werden – obwohl laut Fachgutachten eine Räumung des Stalls im Brandfall „nicht möglich“ ist. „Wir sind entsetzt,“ sagt Katja Hübner, Sprecherin des Aktionsbündnisses gegen Agrarfabriken. Mit Grund. Denn das Emsland ist zwar durch anderthalb Jahrzehnte aggressiver Mastanlagen-Ansiedlung zum Synonym für Geflügel-Industrie geworden. Doch hatte vor der Kommunalwahl 2011 ein Umdenken begonnen: Einstimmig beschloss da der Kreistag, der „agrarindustriellen Entwicklung entgegenzusteuern“. Und der damalige Landrat Hermann Bröring (CDU) kündigte an, nur noch Ställe zu genehmigen, die einen Tierrettungsplan vorweisen.

Formal hält sich sein Nachfolger Reinhard Winter (CDU) daran. So rät der Wippinger Brandschutzgutachter, auf den „Arbeitsablauf der Ausstallung“ zurückzugreifen – sprich: die 83.900 Tiere einzeln rauszutragen. Zwar fehlt dafür im Notfall die Zeit. Aber auch ein schlechter Plan ist ja ein Plan: Der Antrag sei zu genehmigen, wenn er „alle rechtlichen Voraussetzungen erfüllt“, teilt Kreis-Sprecherin Anja Rohde mit. „Das ist hier der Fall.“

Einen „klaren Verstoß“ gegen die Bauordnung sieht in der Genehmigung dagegen der grüne Agrarpolitiker Christian Meyer. Im Landtag hat er sie zum Thema einer Anfrage gemacht. Klagen wird indes keiner. „Leider gibt es in Niedersachsen – anders als in Bremen – kein Verbandsklagerecht für Tierschutzverbände“, so Meyer. Er warnt davor, die „Massentierhaltungsregionen“ so zu „rechtsfreien Räumen“ verkommen zu lassen. BES