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Wenn Vor-sich-hin-Murmeln hilfreich ist

Früher, also im vergangenen Jahrtausend, galt jemand, der allein durch die Gegend lief und vor sich hin redete, als gaga oder durchgeknallt, so nannte man das damals. Heutzutage ist das natürlich anders: Wer mit leerem Blick in die Gegend starrt und laut redet, ist ein Highperformer im Gespräch mit einem Businesspartner auf der anderen Seite des Globus oder eine rücksichtslose Dumpfbacke oder beides gleichzeitig.

Die Frau im Foyer der Rendsburger Bibliothek murmelte vor sich hin. Sie ging in die Bibliothek und murmelte weiter. Sie setzte sich in einen Lesesessel und murmelte. Sie trug keine schicken Kopfhörer. Sie redete ununterbrochen, so laut, dass sie beständig zu hören, aber nicht immer zu verstehen war. Nur bei einigen Wörtern hob sie die Stimme: „Krankheit“, „Depression“.

Rendsburg

knapp 30.000 Ein­woh­ner*innen,

liegt im Zentrum von Schleswig-Holstein. Die Bibliothek ist im Hohen Arsenal, einem Garnisonsgebäude aus der Zeit der dänischen Herrschaft über Schleswig-Holstein, untergebracht. Heute hält dort alle zwei Monate der dänische Bücherbus.

Ich sprach sie nicht an, sie schien zufrieden damit, sich selbst ihren Zustand immer wieder selbst zu bestätigen. Die vor sich hin murmelnde Frau nervte ein wenig. Gleichzeitig fand ich sie gut: Sich an einen stillen, öffentlichen Ort zu begeben und der Umwelt sein Leid zu klagen, ist eine ziemlich coole Form der Selbsttherapie. Esther Geißlinger

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