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Archiv-Artikel

Die ganz große Sause

Bei der Unesco ist man zufrieden mit der Resonanz des Welterbe-Welttages – auch wenn der nur hierzulande proklamiert war und sich keine der norddeutschen Stätten ernsthaft daran beteiligt hat

von Benno Schirrmeister

Der Unesco Welterbe-Welttag war ein voller Erfolg. Das muss einfach einmal klargestellt werden. „Wir“, sagt der Sprecher der deutschen Unesco-Kommission Dieter Offenhäußer, „sind sehr zufrieden mit der Resonanz.“ Nein, bundesweite Besucherzahlen lägen auch der Bonner Zentrale nicht vor. Aber dass die Sache am 5. Juni „ein Erfolg“ gewesen sei, wiederholt er gerne noch einmal. Und betont, dass er kein Verständnis dafür habe, wenn „irgendwelche Neider das in Abrede stellen“.

Aber hallo. Warum denn so aggressiv? Niemand wird der Unesco verbieten, ihre eigene Veranstaltung selbst auszuwerten. Schon gar nicht im Norden, wo allerdings, das lässt sich objektiv feststellen, die Beteiligung am Welterbe-Welttag recht gering ausfiel: Fünf norddeutsche Einträge weist der Katalog einzigartiger kultureller Stätten mit universeller Bedeutung derzeit auf: Lübecks Altstadt, Hildesheims Altstadt, das Bergwerk Rammelsberg und Goslars Altstadt, die Zwillingsaltstädte von Stralsund und Wismar sowie Bremens altstädtisches Marktplatz-Ensemble inklusive Rathaus.

Teilnehmer hatte die Aktion am vergangenen Wochenende im Norden dennoch nur einen. Das war Bremen: Zur Feier des Tages schnitt im Zwergenstaat ein Zwergen-Senator zwei Stunden lang Torte. Zweites Highlight im Festprogramm: eine Rathausführung. Verpasst? Halb so wild. „Montags bis samstags je viermal, sonntags zweimal“ werde das Juwel der Weserrenaissance gezeigt, informiert die örtliche Touristik-Zentrale.

Von fünf potenziellen nur ein Welterbewelttagsfeierer, das ist ein eher schlechter Schnitt, auch wenn der „Worldheritage Day“ wie gesagt ein großer Erfolg war, wenn auch nicht weltweit, weil er nur in Deutschland ausgerufen wurde. In jedem Fall ist die Unesco mit der Resonanz „sehr zufrieden“, so Offenhäußer, schließlich hätten „sogar“ die Fernsehnachrichten „darüber berichtet“. Das ist exakt: Es gab zweimal Eineminutedreißig, jeweils vorm Wetter. Das reicht für eine Kurzfassung der Pressemitteilung und hübsche Aufnahmen der Lorscher Kaiserhalle aus der Karolingerzeit. Lorsch liegt in Hessen. Und die Unesco ist die Institution, die weltweit für unabhängigen und investigativen Journalismus eintritt.

Warum aber hat sich der Norden der Aktion kollektiv verweigert? Goslar zum Beispiel: Die Lokalzeitung machte am Montag mit einem Bericht übers Feuerwehrfest auf. Kein Wort über die Unesco-Festivitäten, obwohl die Stadtwerbung doch schon seit Jahren genau aufs Welterbe setzt: „64 unterschiedliche Instrumente haben wir dafür geschaffen“, sagt Marketing-Chef Michael Bitter. Es gibt sogar Tassen mit dem offiziellen Logo. Von Verweigerung könne auch bezüglich des Welttags nicht die Rede sein, so Bitter. „Wir finden das sehr schade, dass es nicht dazu kommen konnte.“ Dass man sich nicht beteiligt habe, liege daran, dass „so etwas nicht als Schnellschuss möglich ist“.

„Anfang, Mitte Mai“ habe man vom Welttag-Projekt erfahren, bestätigt Stadtsprecherin Sandra Ritters. Und die Info sei nicht einmal vom Urheber direkt gekommen: „Das historische Bergwerk Rammelsberg hatte eine e-Mail aus Bonn erhalten und sie an uns weitergeleitet.“ Hildesheim wiederum feiert am kommenden Sonntag den 20. Jahrestag der Welterbe-Anerkennung – was schon seit Jahr und Tag feststand. Mit einem Welterbe-Fest eine Woche zuvor hätte sich das schlecht vertragen.

Für gelungene Terminkoordination spricht das nicht. „Das war kein Schnellschuss“, beharrt dennoch Offenhäußer und checkt raschelnd Aktenordner und Kalender. Triumph: „Da haben wir’s. Den Termin haben wir am 14. April bei der Welterbestätten-Tagung in Dessau beschlossen.“ Nun sind die kommunalen Haushalte fürs laufende Kalenderjahr steuerreformbedingt zwar später als sonst verabschiedet worden. Im April allerdings waren sie alle fix. Und manche von ihnen mussten sogar mangels Deckung durchs jeweilige Innenministerium genehmigt werden. Da noch schnell ein paar zehntausend Euro für eine Festivität loszuschlagen ist schwierig bis unmöglich. „Wir haben sofort gesagt: So kurzfristig geht das nicht“, erklärt Frank Junge, Sprecher der Haushaltsnotlage-Stadt Wismar. Im kommenden Jahr wolle man zwar „auf jeden Fall dabei sein“. Aber für Dilettantismus sei das Siegel zu wertvoll. „Schließlich“, sagt Junge, „steht das ja für eine Qualität.“

Tatsächlich legt das die Welterbe-Konvention nahe, die hehre Worte von einzigartigen unersetzlichen Gütern, universellen Werten und so weiter findet, aber das sind halt Phrasen der 70er-Jahre. Längst ist die Liste zum Dokument eines enthemmten Eurozentrismus geworden, und Lippenbekenntnissen, das zu ändern, ist noch stets die Aufnahme eines weiteren einzigartigen mittelalterlichen deutschen Stadtkerns gefolgt. Welterbe? Qualität? Anspruch? Bleiben Sie man auf dem Teppich. Muss man alles ein bisschen zurechtstutzen: „Es hat die Städte“, gibt Offenhäußer Einblick in das Geheimnis des Erfolgs, „doch niemand daran gehindert, ihr normales Programm unter das Welttag-Motto zu stellen.“ Für ein bisschen Glamour kann dann die lokale B-Prominenz sorgen. Tortenschneidenderweis, versteht sich. Schließlich gibt’s ja was zu feiern.