Mieterschützer sehen schwarz

Schwarz-gelb droht mit einer Auflockerung des Mieterschutzes. Mietervereine wenden sich an die neue Landesregierung. Privatisierungen auf dem Wohnungsmarkt sorgen für neue Unsicherheit

VON HOLGER PAULER

Mietervereine befürchten durch die neue Landesregierung ein Aufweichen des Mieterschutzes. „Schwarz-gelb will die Kündigungssperrfristverordnung abschaffen“, sagt Aichard Hoffmann vom Mieterforum Ruhr. CDU und FDP hätten dies schon mehrfach angekündigt. Die Verordnung war erst im vergangenen Jahr von der rot-grünen Landesregierung beschlossen worden. 57 Gemeinden in NRW verlängerten danach die Kündigungsfrist auf acht Jahre, 48 Gemeinden auf sechs Jahre. Nach Bundesrecht ist nur ein dreijähriger Kündigungsschutz garantiert.

„Wenn die Rücknahme der Frist in die Koalitionsvereinbarung mit aufgenommen wird, ist es eh zu spät“, befürchtet Hoffmann, dann sei nichts mehr zu machen. Die Mietervereine haben sich deshalb mit einem Brief an die zukünftigen Koalitionspartner gewandt. Bernd Schulte, wohnungspolitischer Sprecher der CDU, hat den Brief zwar bekommen, wollte sich aber zum jetzigen Zeitpunkt nicht äußern. „Ich muss mich zunächst einmal mit dem Inhalt befassen“, sagte er gestern.

Der politische Streit um die Kündigungssperrfristverordnung dürfte auch die Akteure auf dem nordrhein-westfälischen Wohnungsmarkt interessieren. Zuletzt wechselten 152.000 Wohnungen der Eon-Tochter Viterra für sieben Milliarden Euro den Besitzer. Neuer Eigentümer ist die Düsseldorfer Deutsche Annington, eine Tochter der britischen Terra Firma. Ziel der Beteiligungsgesellschaft ist es, einen Teil der Wohnungen zu privatisieren. „Vier bis fünf Prozent pro Jahr sind realistisch“, sagt Annington-Geschäftsführer Volker Riebel. Der Rest sei auf zehn Jahre angelegt. „Wir sind ein langfristiger Investor“, sagt Riebel, zudem sei ein Großteil der Bewohner langfristig vor Eigenbedarfskündigungen geschützt.

Der Bestand der Deutschen Annington beläuft sich derzeit auf bundesweit 230.000 Wohnungen. Im vergangenen Jahr erwarb die Immobiliengesellschaft 4.500 RWE-Wohnungen. Auf den Markt kam die Annington mit dem Kauf von 64.000 Eisenbahnwohnungen im Jahr 2001. Der jährliche Verkauf von vier bis fünf Prozent des Bestandes, entspräche 10.000 Wohnungen. Die in der Vergangenheit wegen ihrer Privatisierungspolitik kritisierte Viterra hatte im Jahr durchschnittlich 7.000 Wohnungen an Mieter und Kapitalanleger verkauft.

Kein Wunder, dass nicht nur die Mieter verunsichert sind. Auch die Mitarbeiter von Viterra fürchten um ihre Jobs. In einem Artikel des Handelsblatt wird vermutet, dass der britische Finanzinvestor Guy Hands, seinerseits Mutterkonzern von Terra Firma, ein Interesse daran hat, einen Teil von Viterra möglichst schnell weiter zu verkaufen. Der Kaufpreis für die Viterra lag rund eine 1,5 Milliarden Euro über dem taxierten Wert. Einsparungen im Personal seien vorstellbar, zumal ein Teil der 1.600 Viterra-Mitarbeiter durch den Verkauf von Wohnungen überflüssig werde. Eine andere Quelle vermutet, dass der dreiköpfige Viterra-Vorstand zum Jahresende abgefunden werde.

Viterra selbst wollte die Informationen nicht kommentieren: „Das ist alles Spekulation“, sagte eine Sprecherin zur taz. Gespräche zwischen den Vertragspartnern liefen derzeit noch. Außerdem müsse das Bundeskartellamt noch zustimmen. Mit dem endgültigen Abschluss der Transaktionen wird in den nächsten Wochen gerechnet.

Der Wohnungsmarkt in NRW kommt nicht zur Ruhe. Die RAG Immobilien GmbH plant, die rund 80.000 Wohnungen der Gelsenkirchener TreuHandStelle GmbH (THS) zu übernehmen. Auf der heute statt findenden Bilanzpressekonferenz der RAG Immobilien könnten Einzelheiten zum anvisierten Deal bekannt gegeben werden. Das Mieterforum Ruhr geht davon aus, dass die RAG keine Kündigungen wegen Eigenbedarf aussprechen werde. „Die sind schon bemüht, sich beim Mieterschutz keine Blöße zu geben“, sagte Forumssprecher Helmut Lierhaus vergangene Woche zur taz. Mit einer Übernahme würde die RAG-Immobiliensparte zu den großen Playern im deutschen Immobilienmarkt aufsteigen. Insgesamt 150.000 Wohnungen würden dann zum Konzern gehören.