Angela Merkel segelt hart am Wind

VDEW-Kongress der Elektrizitätskonzerne: Zwar stellt die CDU-Kanzlerkandidatin Änderungen der rot-grünen Energiepolitik in Aussicht. Radikalschnitte wird es aber nicht geben. Selbst unter Konzernen ist seit gestern radikales Zurückdrehen umstritten

AUS BERLIN HANNES KOCH

Die Kanzlerkandidatin der Union, Angela Merkel, wahrt Distanz zu den Stromkonzernen. Sie macht ihnen Hoffnung auf Änderungen der rot-grünen Energiepolitik, verspricht aber nicht zu viel. Die von den Stromkonzernen geforderte Abschaffung der rot-grünen Förderung von Ökostrom unterstützt Merkel nur zum Teil.

Die CDU-Chefin hielt gestern eine Grundsatzrede zur Energiepolitik beim Kongress des Verbandes der Deutschen Elektrizitätswirtschaft (VDEW) in Berlin. Der Verband fordert, das Erneuerbare-Energien-Gesetz von SPD und Grünen durch ein Quotenmodell zu ersetzen, um den Zuwachs beim Ökostrom zu begrenzen. „Die Quote kann in der Startphase sinnvoll sein“, sagte Merkel, „aber langfristig widerspricht eine Quotierung dem Markt.“

Außerdem warnte die CDU-Chefin: „Der Umstieg auf die Quotierung ist sehr schwierig. Wenn jeder in Deutschland eine Windmühle betreibt“, sei die Abschaffung der Förderung in der bisherigen Form demokratisch kaum durchsetzbar. Die Kanzlerkandidatin sprach sich dafür aus, die Erneuerbaren zu fördern; ihren Anteil aber auf 20 Prozent des Verbrauchs zu erhöhen, wie Rot-Grün es vorschwebt, sei „unrealistisch“. Die hohen Strompreise in Deutschland führt Merkel teilweise auf die rot-grüne Politik der Ökostrom-Förderung zurück. „Der Instrumentenmix in der Energiepolitik ist inkonsistent“, sagte Merkel. Die finanziellen Belastungen von Verbrauchern und Industrie durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz, die Kraft-Wärme-Kopplung, die Ökosteuer und der Emissionshandel seien zu hoch. Angesichts der Löcher im Bundeshaushalt werde aber auch eine schwarz-gelbe Regierung die Ökosteuer „keinesfalls sofort abschaffen“, so Merkel. Zur Atomkraft sagt sie, die Laufzeiten der Kraftwerke sollten über den Atomkonsens von Rot-Grün hinaus verlängert werden, aber nicht „unbegrenzt“.

Beim VDEW fliegen derweil die Fetzen. Nachdem das Positionspapier zur Abschaffung des rot-grünen Ökostrom-Gesetzes vorzeitig bekannt geworden war, beschwert sich unter anderem Verbandsmitglied RWE darüber, dass eine derartige Bombe im Wahlkampf gezündet wurde. Die interne Kritik zeigt eine gewisse Wirkung. VDEW-Präsident Werner Brinker bezeichnete das Papier gestern nur noch als „Diskussionsvorschlag“.

Während die Stromversorger heute jede produzierte Kilowattstunde Strom aus Wind, Sonne, Biomasse und Wasser zu festgesetzten, über die Jahre aber sinkenden Preisen aufkaufen müssen, will der VDEW die Förderung grundsätzlich ändern. Langfristiges Ziel ist die Einführung eines Börsenhandels mit Ökostrom ab 2013. Durch den Druck des Marktes sollen die Kosten der sauberen Energie schneller sinken als mit dem rot-grünen Gesetz. Der VDEW argumentiert, die Kosten für den Ökostrom, die von allen Verbrauchern getragen werden, seien höher als nötig. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) hält dem entgegen, dass in Staaten mit Quotensystemen – zurzeit in Großbritannien und Dänemark – die Kosten pro Kilowattstunde deutlich höher seien als in Deutschland. Ein Gutachten unter anderem des Prognos-Instituts im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums ergab zu dieser Frage, dass das Ökostromgesetz effizient sei und keine Mitnahmeeffekte von Firmen in Form zu hoher Profite ermögliche.

In seiner Rede bei der VDEW-Tagung warnte Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Grüne) davor, den Atomkonsens zurückzunehmen. Dies reduziere den Druck, alte Kraftwerke durch neue zu ersetzen, und koste damit Arbeitsplätze.

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