: Joblose sollen Bücher bezahlen
Arbeitslosengeld-II-Empfänger werden bei Zuzahlung zu Lernmitteln ungleich behandelt. Wer in 2004 Sozialhilfe bezog, muss nicht zahlen. Ehemalige Arbeitslosenhilfe-Empfänger hingegen schon
VON ELMAR KOK
Kinder von Arbeitslosen werden an Nordrhein-Westfalens Schulen unterschiedlich behandelt. Während einige Eltern für ihre Kinder keine Eigenanteile zahlen müssen, wird ein Großteil der Arbeitslosengeld-II(ALG2)-Empfänger Zuschüsse zum Bücherbedarf ihrer Kinder leisten müssen. Für diese Ungerechtigkeit sogt die Hartz IV-Gesetzgebung, die Anfang des Jahres aus Arbeitslosenhilfe- und Sozialhilfeempfängern ALG2-Empfänger machte.
Bei den Planungen und den Buchbestellungen für das neue Schuljahr kommt ein Passus der rot-grünen Landesregierung im nordrhein-westfälischen Schulgesetz zur Anwendung. Er garantiert, dass ehemalige Sozialhilfeempfänger Vertrauensschutz genießen und deshalb vom Eigenanteil befreit werden. Das habe der Landtag „mit allen vier Fraktionen beschlossen“, sagt Stephanie Paeleke, Sprecherin des Schulministeriums in NRW.
Für den Leiter der Beratungsstelle für Arbeitslose in Mönchengladbach, Karl Sasserath, ist diese Ungleichbehandlung ein Unding. Er fordert die Befreiung aller ALG2-Empfänger von der Selbstbeteiligung. Denn mit Anfang des Jahres seien die Zuwendungen für Kinder ab sieben Jahren um fünf bis zehn Prozent gekürzt worden. Die Armen würden auf Kosten der Kommunen noch weiter belastet, sagt Sasserath. Denn die Städte und Gemeinden können auf eine Entlastung auf Kosten der Armen hoffen, sollte es mit Ende des Vertrauensschutzes eine einheitliche Regelung für ALG2-Empfänger geben.
„Wir fordern, dass alle ALG2-Bezieher gleich behandelt werden und den Eigenanteil für Lernmittel zahlen müssen“, sagt Martin Lehrer, Sprecher des Städte und Gemeindebundes in NRW. Lehrer nennt die aktuelle Situation „verfassungsrechtlich bedenklich“, da eine homogene Gruppe ungleich behandelt werde. Allerdings sehe sich der Bund nicht in der Lage, für alle ALG2-Empfänger eine Kostenerstattung zu gewähren.
Auch die Lehrergewerkschaft GEW protestiert gegen die aktuelle Gesetzeslage. Die könne allerdings nur ein Bundesgesetz ändern, sagt Norbert Müller, stellvertretender Landesvorsitzender der Gewerkschaft. Seinen Aussagen zufolge fallen auch die Zuschüsse zu Schülerfahrten in die Problematik der Ungleichbehandlung. Zudem könne sich die soziale Frage zukünftig auch an der Milchtheke stellen. „Wer bezahlt eigentlich künftig die Sozialmilch“, fragt er.
Bei der Erstattung der Eigenmittel zeigt sich, dass Kommunen recht unsensibel mit den Daten der Arbeitslosen umgehen. Müller sagt, „wir haben die Daten immer bekommen“, die Schule wusste also, bei welchen Schülern sie kein Geld einsammeln konnte.
Außerdem sorge das neue System für einen erhöhten Aufwand an Bürokratie, vermutet Karl Sasserath. Denn „die Schüler nehmen einen Antrag auf Befreiung mit nach Hause, die Eltern füllen ihn aus und geben ihn ans Schulamt“. Dann müsse das Amt seine Daten mit denen des Sozialamtes vergleichen um der Schule Geld überweisen zu können oder den Antrag abzulehnen. „Die müssen an jede Akte ein Vermerk machen“, vermutet Sasserath.