: Ein lehrreiches Beispiel
An der Reinhardswald-Grundschule übernehmen elf Schülerläden die Nachmittagsbetreuung der Kinder. Es ist die einzige Kooperation in Kreuzberg. Den meisten anderen Schülerläden droht das Aus
VON SABINE AM ORDE
In den meisten der 250 Schülerläden der Stadt herrscht derzeit Verunsicherung. Allerorten wird gerätselt und gerechnet, wie man im nächsten Schuljahr finanziell noch über die Runden kommen kann. Denn nach den Sommerferien sind die Grundschulen für die Nachmittagsbetreuung ihrer Kinder zuständig. Und damit sind die meisten Schülerläden aus dem Spiel: Sie dürfen keine Erstklässler mehr aufnehmen – der Anfang vom Ende beginnt.
Für elf Schülerläden rund um die Kreuzberger Gneisenaustraße gilt das nicht. Sie haben gestern einen Kooperationsvertrag mit der Reinhardswald-Grundschule unterzeichnet. Der sieht vor, dass die elf Läden künftig die Nachmittagsbetreuung für bis zu 240 Kinder übernehmen – also alle Kinder, die einen Platz im offenen Ganztagsbetrieb der Schule haben. „Die Eltern suchen sich dann einen der Läden für ihr Kind aus“, sagt Marie Bockel, Erzieherin im Schülerladen Herzlichgarten. „Und die einzelnen Läden arbeiten weitgehend so weiter wie bisher.“ Der Austausch zwischen den Einrichtungen und mit der Schule aber soll intensiver werden.
Die elf Schülerläden hatten sich im Vorfeld zu einem Verbund zusammengeschlossen und einen Koordinator von einem anderen freien Träger geholt, der Tandem BQG. Er ist Ansprechpartner für die Schule und den Bezirk. „Mit den einzelnen Schülerläden hätte ich nicht zusammenarbeiten können“, sagt Schulleiter Werner Munk. Das sei zu aufwendig und auch rechtlich schwierig, wenn zum Beispiel eine der Einrichtungen pleite geht. „Dann muss ich ja die Kinder versorgen und habe keinen Platz für sie.“ Jetzt müssen die Läden untereinander solche Schwierigkeiten beheben.
Anders als die weitaus meisten seiner KollegInnen hat sich Munk für den Erhalt der Schülerläden stark gemacht. Denn unter den Eltern seiner Schule gibt es viele Schülerläden-Fans. Sie schätzen die kleinen, familiären Einrichtungen mit dem großen Einfluss der Eltern und der meist hohen pädagogischen Qualität. „Würde es die Schülerläden nicht mehr geben, würden noch mehr Eltern wegziehen“, sagt Munk. „Ihr Erhalt ist also auch ein Stück Strukturpolitik für den Kiez.“
Die Kooperation an der Reinhardswald-Grundschule ist die einzige in Kreuzberg, obwohl es hier die meisten Schülerläden der Stadt gibt. Das liege vor allem an der Politik von Jugendstadträtin Sigrid Klebba (SPD), kritisiert der Schülerladen-Dachverband DaKs (siehe Interview unten). Klebba selbst weist die Kritik zurück: „Wir haben diese Möglichkeiten nicht beschnitten.“
Fakt aber ist, dass sich andere Bezirke mit der Zusammenarbeit mit den Schülerläden leichter tun. In Schöneberg zum Beispiel gibt es mehrere Kooperationen. Allein zwei davon hat das Kiezbündnis vereinbart, zu dem sich elf Schülerläden im Schöneberger Norden zusammengeschlossen haben: mit der Werbellinsee-Grundschule und der katholischen St. Franziskus-Schule. So, sagt Johannes Zerger vom Kiezbündnis-Vorstand, soll „die Wahlmöglichkeit der Eltern bei der Betreuung ihrer Kinder erhalten bleiben“.