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wortwechselDigital ist besser – oder etwa nicht?

LeserInnen sehen krankhafte Auswüchse des Digitalismus und verzichten aufs Smartphone. Unbeliebte Politik reflexhaft in Nazi-Nähe zu rücken, ist kontraproduktiv.

Bestuhlung

„CDU meißelt an der Brandmauer“,

wochentaz vom 16. – 22. 9. 23

Ich habe in den vergangenen Wochen und Monaten in der aufklärerischen Auseinandersetzung mit der AfD den Blick auf das Gesamtbild unserer parlamentarischen Demokratie vermisst. Unterschiedliche Analysen beschrieben in der Vergangenheit ein ähnliches Phänomen. Nicht alle Mitmenschen, welche die AfD wählen, stimmen mit ihren Inhalten überein oder sind rechts orientiert. Bin ich als Wahlbürgerin oder Wahlbürger mit keinem Parteienangebot einverstanden, finde ich mich nämlich in dem parlamentarischen Plenum nicht wieder. Es gibt keinen leeren Stuhl für mich und die anderen Mitmenschen, die keine Partei fanden, welche ihre Bedürfnisse vertritt. Enthalte ich mich der Stimme, oder mache ich den Wahlzettel ungültig, bin ich nicht mehr sichtbar als Bürgerin oder Bürger im Parlament. Zugespitzt formuliert, statt eines leeren Stuhles werde ich symbolisch ausgebürgert.

Mit dem Wegfallen der parlamentarischen Brandmauer gegenüber der AfD befürchte ich, dass wir uns eine Chance nehmen, unsere Parlamente bürgerlicher zu entwickeln. Was würde passieren, wenn ich nicht eine „ausgegrenzte“ Partei wählen muss, sondern einen leeren Stuhl im Plenum wiederfinde?

Jörg Pöse, Niedernhausen

Angst und Bange

„Bayern schafft sich ab“,

wochentaz vom 9. – 15. 9. 23

Lieber Herr Waibel,

da ich im bayrischen Aschaffenburg geboren und aufgewachsen bin, gingen mir heute zwei Artikel der taz besonders nahe: Der Bericht über ganz spezielle Proteste in Aschaffenburg und Ihre meisterhafte Darstellung der bayrischen Geschichte und Politik. Was sich in meiner Heimatstadt aktuell abspielt, ist ein Bild der gegenwärtigen Gesellschaft in Deutschland. Ich bin sehr betroffen,aber nicht mehr verwundert.

Das Thema „Aiwanger“ kann uns Angst und Bange machen, ich danke Ihnen dabei für die kenntnisreiche, geistvolle und witzige Gestaltung. Ich bin 1947 geboren, daher von Kindheit an auch mit Figuren wie Franz Josef Strauß vertraut. Was Scheuer betrifft, zitiere ich einen inzwischen verstorbenen Freund, der sein Lehrer war: „I hett ehm doch durchfall’n lassen soll’n.“

Dorothea Mager-Blohm, Berlin

Kein Beweismaterial

„Eine Zukunft, vor der mir graut“,

wochentaz vom 16. – 22. 9. 23

Mit unter 18 Jahren ist man politisch rechtlos. Aber eine mutmaßliche Meinungsäußerung soll noch Jahrzehnte später geeignet sein, eine politische Karriere zu beenden? In der Tat hat Hubert Aiwanger im Hinblick auf Söders Fragen nicht viel gesagt. Mir erscheint aber das beschriebene Verhalten für einen 16-Jährigen glaubhaft. War es denn überhaupt korrekt, wenn die Schule mit dem Vorwurf einer Straftat so zu verfuhr?

Hatte der Schüler damals eine jurististische Unterstützung, um auf Augenhöhe dem Schulpersonal begegnen zu können? Am Ende gibt es jedenfalls kein verwertbares Beweismaterial, weil es eben nicht zur Anzeige kam. Hubert Aiwanger hat deutlich gemacht, dass das Flugblatt nicht seine gegenwärtige und seine damalige Position wiedergibt.

Georg Doerry, Heimbach

Nazivorwurf

„Eine Zukunft, vor der mir graut“,

wochentaz vom 16. – 22. 9. 23

Aiwanger in Nazi-Nähe zu rücken ist kontraproduktiv. Politik, die man ablehnt, auch sehr tief ablehnt, die Menschen erschüttert, benachteiligt, was auch immer, muss nichts mit Nazis zu tun haben. Es ist nicht gut, das zu vermischen, man vermeidet die Nazis nicht dadurch, möglichst früh alles in diese Nähe zu rücken. Das erschwert eher das weite Feld der „normalen Politik“, das schwierig genug ist und auch schon genügend Unheil produziert. Und Nazis werden dadurch zu etwas Alltäglichem, Banalem, weil man sie an jeder Ecke findet – der alte Freund, der Lehrer, Journalisten, Politiker, Professoren etcetera. Zum einen werden dann viele Leute Nazis als etwas ohnehin überall vorhandenes und normales akzeptieren – so wie bei Aiwanger der Nazivorwurf die einen zwar aktiviert, an vielen aber einfach abprallt.

Markus Michaelis auf taz.de

Nicht Exotisch

„Mein Leben ohne Äppärät“,

wochentaz vom 26. – 22. 9. 23

Wie gut zu erfahren, dass ich nicht allzu exotisch bin mit meinem Leben ohne Nabelschnur-Smartphone. Für besondere oder Notsituationen genügt mir mein kleines leichtes hübsch rotes 15 Jahre altes Mobiltelefon. Zu Hause am PC habe ich es bequem und ich verfüge über einen gut funktionierenden Telefonanschluss mit Anrufbeantworter, muss all dieses also nicht auf der lauten Straße oder die Mitmenschen nervend in Bussen und Bahnen nutzen. Auch Straßenkarten, Stadtpläne und Fahrpläne sind vorhanden und noch immer käuflich oder in Touristenbüros oder Verkehrsunternehmen erhältlich. Annette Schulz, Brauweiler

Digitalismus

Es ist doch nicht so exotisch, ohne Smartphone zu leben Foto: imago

„Mein Leben ohne Äppärät“,

wochentaz vom 26. – 22. 9. 23

Wenn man in Betracht zieht, dass es aktuell circa. 4 Milliarden Smartphones weltweit gibt, bleiben doch noch Einige übrig, die ohne es zu leben vermögen. Ich bin 44 und lebe seit 2007 ohne Smartphone. Eine ideologiekritische Auseinandersetzung auf Basis von Technologieanalysen mit dem Gegenüber ist kaum möglich, weil diese Diskurse von der Smombies-Mehrheit nicht verstanden werden (wollen). Was für krankhafte Auswüchse der Digitalismus schon gezeitigt hat, kann man regelmäßig in Studien und Statistiken bezüglich täglichen Bildschirm- und Onlinezeiten ablesen – über alle Altersklassen hinweg.

Thomas Huschke, Berlin

Ohne Konsens

„Mein Leben ohne Äppärät“,

wochentaz vom 26. – 22. 9. 23

Es ärgert mich, wenn Digitalisierung ohne Konsens über Ziele und Risiken quasi behördlich verordnet wird. Energie und Ressourcenverbrauch sind für die Endnutzer ebensowenig erkennbar, wie sie über die Lebensdauer von Hardware und Software mitreden könnten. Schon das Lesen der digitalen taz auf einem Tablet früherer Jahre geht nicht mehr, da das Betriebssystem nicht auf neuen Stand zu bringen ist. Das Teil selbst würde aber immer noch einfaches Lesen problemlos ermöglichen. Be­sit­ze­r*in­nen von digitalen Geräten wollen sicherlich nicht alle mitgelieferten Apps und Zusatzfunktionen nutzen, dürfen aber keine Auswahl treffen.

Barbara Stowasser, Alsbach

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