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Archiv-Artikel

Lehrer im Haushaltsloch verschollen

CDU und FDP wollen nun doch nicht tausende neue Lehrer einstellen. Der Grund: Die Haushaltslage sei katastrophaler als angenommen. Grüne: „Was die Koalition jetzt macht, ist nicht ehrlich“

VON ULLA JASPER

Zwei Wochen vor Amtsantritt der neuen Landesregierung rücken CDU und FDP von ihren Wahlversprechen ab. Anstatt der angekündigten 4.000 bis 8.000 neuen Lehrerstellen will man sich nun nicht mehr auf eine Zahl festlegen lassen. Die Kassenlage „ist viel dramatischer, als es Rot-Grün bisher eingeräumt hat“, erklärte FDP-Landeschef Andreas Pinkwart zur Begründung des Kurswechsels.

Wie viele Lehrer die neue Landesregierung einstelle, könne erst „im Gesamtkontext aller finanzwirksamen Maßnahmen“ geklärt werden, so Jürgen Rüttgers (CDU). Im Wahlkampf hatten Konservative und Liberale noch damit geworben, mindestens 4.000 (CDU), am besten aber gleich 8.000 (FDP) Lehrer zusätzlich einzustellen. Dass Lehrer gebraucht würden, sei offensichtlich, so Rüttgers. Doch dies gehe nur, „wenn es solide finanziert ist“.

Bereits zu Beginn der Koalitionsverhandlungen vor zwei Wochen hatte Schwarz-Gelb angekündigt, möglicherweise zwei weitere „heilige Kühe“ zu schlachten. Die Pendlerpauschale sei ebenso wie die Eigenheimzulage „nicht mehr in Stein gemeißelt“, erklärten die Parteien freimütig – wenige Tage nach der Landtagswahl. Begründung auch damals: der katastrophale Landeshaushalt, der noch viel schlimmer aussehe, als jemals gedacht. „Die SPD hat sich beim Erstellen des Haushalts offensichtlich verschätzt. Die Defizite, die im Laufe der Legislaturperiode aufgetreten sind, wurden dann vor der Landtagswahl unter der Decke gehalten“, erklärt ein FDP-Sprecher den neuen Wissensstand seiner Partei nach der Wahl vom 22. Mai.

Bei Experten stößt diese Auslegung der Haushaltszahlen jedoch auf Kritik: Man wisse zwar nie, „welche Zeitbomben eine Regierung in den letzten Wochen ihrer Amtszeit noch im Haushalt versteckt hat“, erklärt Helmut Seitz, Finanzwissenschaftler an der Uni Dresden. So könnten zum Beispiel in den letzten Wochen von Rot-Grün noch Investitionsprogramme vorgezogen worden seien, die jetzt den Haushalt belasten. Doch dass sich die Haushaltslage dramatisch anders darstelle als es allgemein bekannt gewesen sei, schließt Seitz aus: „Wer jetzt kommt und sagt, die finanzielle Lage sei noch katastrophaler als angenommen, der hat entweder die Wähler vor der Wahl bewusst an der Nase herumgeführt oder der hat überhaupt keine Ahnung.“ Bereits im Wahlkampf hätte jedem klar sein müssen, dass es unter den gegenwärtigen Bedingungen in NRW nicht möglich sei, 4.000 oder gar 8.000 neue Lehrerstellen zu schaffen. Man müsse die Wähler davor bewahren, solche „schwachsinnigen Versprechen“ zu glauben. Seitz: „Der Spielraum für zusätzliches Personal beträgt null Komma null Prozent.“

Und in der Tat ist die wirtschaftliche Situation des Landes Nordrhein-Westfalen desaströs. 110 Milliarden Euro beträgt der Schuldenstand, allein 40 Prozent des jährlichen Haushalts wendet das Land für Personalkosten auf. Doch auch die Grünen wollen sich nicht die Schuld für das Haushaltsloch in die Schuhe schieben lassen.

„Was CDU und FDP jetzt machen ist nicht ehrlich. Die vergießen doch nur Krokodilstränen“, sagt der Geschäftsführer der Grünen im Landtag, Johannes Remmel. Rot-Grün habe immer darauf hingewiesen, wie problematisch die Haushaltslage sei, nicht umsonst haben wir einen Doppelhaushalt verabschieden müssen. „Wir sind schon sehr weit gegangen in unseren Einschnitten“, so Remmel. Der Grünen-Politiker verweist auch auf die schlechte Einnahmesituation des Landes. „Die Einnahmeverluste auf Bundesebene schlagen sich eben auch auf NRW durch.“