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Archiv-Artikel

Heiße Luft aus Afrika im Augsburger Zoo

Alarm! Im Zoo von Augsburg werden Neger ausgestellt! Gleich neben den Pavianen! Rassismus! Skandal! Alles Unsinn, denn vor Ort entpuppt sich der hitzige öffentliche Streit um das „African Village“ im Tierpark von Augsburg lediglich als Lehrstück über Arroganz und Ignoranz aller Beteiligten

VON JÖRG SCHALLENBERG

Das Dorf, über das alle sprechen, existiert gar nicht. Es ist einfach nicht da. Auch wenn man zum zweiten Mal die große Runde durch den Augsburger Zoo dreht, vorbei am Tiger, den Wasserbüffeln, den Giraffen und der Moorente, ist einfach nichts von dem zu entdecken, was auf einem großen Plakat am Eingang als „African Village“ angepriesen und auf dem Parkplatz davor als „neokolonialer Blick“ gegeißelt wird.

Seit Donnerstag sind im Zoo „schwarze Menschen als exotische Objekte, als Un- oder Untermenschen in trauter Einheit mit der Tierwelt in einer offenbar zeitlosen Dörflichkeit“ ausgestellt, wie es in einem Schreiben der „Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland“ heißt, das am Infostand der Demonstranten ausliegt. Das wäre in der Tat ein Skandal ersten Ranges.

Nur suchen wir danach im Zoo ebenso vergeblich wie nach dem „afrikanischen Dorf“ in „einmaliger afrikanischer Steppenlandschaft“, das uns die Zoo-Direktion versprochen hat. Alles, was es dort gibt, sind die üblichen Verdächtigen, die man etwa vom alternativen Tollwood-Festival im Münchner Olympiapark kennt, von den Afrika-Tagen, die kürzlich auf der Internationalen Handwerks-Messe in München zu sehen waren, von den Touristenvierteln in Johannesburg oder von jedem beliebigen Afrika-Markt oder Afrika-Festival irgendwo im Lande.

Nur ein Flohmarkt

Wenn man vom Eingang des Zoos aus losgeht, trifft man links und rechts des Weges alsbald auf Händler, die Elefanten, Giraffen, Löwen und so ziemlich alle möglichen in Afrika lebenden Tiere als Holzschnitzereien anbieten, dazu Masken, Trommeln, Tücher, Kunsthandwerk, T-Shirts, Schmuck und afrikanisches Essen. Ab und an finden sich im Sortiment auch jamaikanische Fußballtrikots und keltische Amulette, so genau nimmt es hier niemand mit Herkunft und Originalität.

Zieht der Besucher dann weiter seines Weges, wiederholt sich das Sortiment immer wieder. In einem entlegenen Winkel erst stößt man auf eine interessante Kunstausstellung, davor werben Hilfsorganisationen, die sich in den Townships von Südafrika engagieren oder im Sinne von Jane Goodall die Schimpansen dieser Welt retten wollen.

Mit dem DJ auf der Wiese

Auf einer Festwiese legt ein DJ auf, später werden Trommelgruppen und andere Musiker auftreten, außerdem können Kinder und Erwachsene einen Trommelkurs für Anfänger buchen, sich Rastalocken ins dünne mitteleuropäische Haar flechten lassen oder einem Märchenerzähler lauschen.

Wie gesagt: Die üblichen Verdächtigen, in bemerkenswert einfallsloser Häufung.

Nach Beendigung des Rundgangs steht endgültig fest: Die erregten Diskussionen, die in den vergangen Tagen rund um das vermeintliche „African Village“ in Augsburg geführt wurden, sind ein Lehrbeispiel für etwas Gutgemeintes, das aus Dummheit und Ignoranz völlig daneben gegangen ist – leider auf beiden Seiten.

Schuld daran sind natürlich die Zoo-Direktorin Barbara Jantschke und die Münchner Veranstaltungsagentur maxVita, die ganz offensichtlich etwas Leben in den verschlafenen Tierpark bringen wollten. Weil maxVita schon mehrfach Afrika-Tage an verschiedenen Orten veranstaltet hat, kam der Zoo als weiterer Haltpunkt der Händler-Karawane gelegen. Das Ganze hätte natürlich als das beworben werden können, was es ist – nämlich ein Markt, auf dem größtenteils weiße Händler vermeintlich authentische Folklore-Produkte verkaufen.

Weil das aber etwas zu ehrlich und zu wenig zugkräftig fürs gewünschte Publikum gewesen wäre, wurde die ganze Veranstaltung – die noch bis Sonntag im Augsburger Zoo zu sehen ist – völlig sinnlos zum mittlerweile berüchtigten „African Village“ hochgequatscht.

Laut Prospekt ist dort die vielfältige afrikanische Kultur und Natur“ zu erleben – ein schönes Beispiel für die heiße Luft, die den Begriff „Event“ stets umweht.

Als wäre diese Produkttäuschung nicht schon ärgerlich genug, haben die Veranstalter im Rausch ihrer Idee anscheinend komplett vergessen, welche Assoziationen die Präsentation eines afrikanischen Dorfes und afrikanischer Lebensweisen ausgerechnet im Zoo, inmitten von eingesperrten, einstmals wild lebenden Tieren, bei jedem halbwegs kritischen Menschen auslösen muss. Sobald die Ankündigung der Veranstaltung publik wurde, hagelte es dann auch heftige Kritik.

Mehrere Organisationen, darunter die „Initiative Schwarzer Menschen in Deutschland“ (ISD), „Schwarze Frauen in Deutschland“, „Der braune Mob“ (der die Belange schwarzer Deutscher in den Medien unterstützt) oder das „Nord-Süd-Forum“, schickten Protestbriefe an die Zoo-Leitung, die vor allem auf die unselige Tradition der „Völkerschauen“ hinwiesen, die bis in die Vierzigerjahre des vergangenen Jahrhunderts in Deutschland sehr beliebt waren und oft auf Jahrmärkten oder in Tierparks stattfanden (siehe Kasten auf dieser Seite).

Auf einen dieser Briefe antwortete Zoo-Direktorin Barbara Jantschke ziemlich ungehalten und erklärte in bemerkenswerter Naivität, dass ihr Zoo doch genau der richtige Ort sei, um eine „Atmosphäre von Exotik zu vermitteln“. Augsburgs Oberbürgermeister Paul Wengert sekundierte mit dem unschlagbaren Argument, dass die teilnehmenden Händler auf solche Veranstaltungen angewiesen seien, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Auf der Gegenseite steigerte sich angesichts solch kruder Argumentation der Protest allmählich ins Schrille. Eine Kulturwissenschaftlerin der Uni München zog ernsthaft, aber garantiert unwissenschaftlich eine Parallele zwischen dem „African Village“ und einer „Negerkarawane“, die 1888 in Augsburg gastierte.

Eine Berliner Initiative gegen Rechtsextremismus brachte die Veranstaltung mit dem Völkermord der deutschen Kolonial-Armee vor 100 Jahren an den Herero im damaligen Deutsch-Südwestafrika in Verbindung und argwöhnte, dass die Aktion des Augsburger Zoos „mittelbar Übergriffe provoziert, wie es sie in Deutschland seit dem Mord an Amadeu Antonio im Jahre 1990 immer wieder gegeben hat“. Das alles schießt in jeder Hinsicht weit über das hinaus, was in Augsburg geboten wird.

Die übliche Folklore

Den Schulkindern, die sicher die mit Abstand größte Besuchergruppe eines jeden Tierparks bilden, wird niemand als Untermensch oder Ureinwohner präsentiert. Stattdessen sehen sie – nicht allzu viele – schwarze Menschen in einer der wenigen Rollen, die ihnen in Deutschland zugestanden wird: als fliegende Händler und Dienstleister, die ein wenig afrikanische Folklore verkaufen.

Wie jede Form der Folkore, ob sie sich nun auf Bayern oder Afrika bezieht, hat das alles rein gar nichts mit den sozialen oder kulturellen Realitäten der jeweiligen Region zu tun. Doch diese Differenzierungen interessieren wenig, ist die Diskussion erst mal ins Rollen gebracht.

Diverse Gruppen sehen im Heißluft-Event von Augsburg ein ideales Vehikel, um ihre sicher gut gemeinten Anliegen einer breiteren Öffentlichkeit vorzutragen. Doch auch die Reaktion der Medien ist beachtlich: verschiedene Zeitungen und Radiostationen im In- und Ausland berichten mehr oder weniger empört. Selbst weitab vom Boulevard, im Neuen Deutschland, wird dieser Alarmismus gepflegt und behauptet, die „Afrika-Ausstellung“ befinde sich „direkt neben den Pavianen“ – von einer Ausstellung hat nie jemand gesprochen, und neben dem Gehege der Mantelpaviane tummeln sich allenfalls Lachsforellen im Wassergraben.

Das Problem mit der allgemeinen Aufregung ist: Niemand interessiert sich dafür, was denn tatsächlich im Augsburger Zoo stattfindet. Als negativer Höhepunkt der Berichterstattung sticht noch am Tag der Eröffnung ein Spiegel-Online-Interview mit dem Kölner Historiker Nobert Finzsch heraus, in dem über die Idee geredet wird, „ein afrikanisches Dorf nachzubauen“, was nie zur Debatte stand. Von keinerlei Sachkenntnis gehemmt reden Fragerin und Befragter dann über eine „Ausstellung“, die es nicht gibt, und verhöhnen die Zoo-Direktorin als „nette Biologin, die viel von Primaten und Großkatzen versteht“.

Zoo-Direktorin Jantschke ist mittlerweile zurückgerudert und hat zu verstehen gegeben, dass die Bezeichnung „African Village“ unglücklich gewählt war. Immer noch unklar allerdings scheint ihr zu sein, dass diese Einschätzung mehr noch auf den Ort der Veranstaltung selbst zutrifft. Immerhin bietet der Zoo nun zwecks Entschärfung der Debatte auch Diskussionsrunden und Workshops zum Thema an. Aufklärung dieser Art scheint denn auch das einzig adäquate Mittel zu sein, um die künstlich aufgeheizte Atmosphäre abzukühlen.

Was vom „Skandal“ übrig bleiben wird, ist das Befremden darüber, wie schnell die Arroganz der Kritiker die Ignoranz der Veranstalter eingeholt hat.