: Unter Primaten in Kapstadt
Die Einwohner rund um Kapstadt hassen sie, Touristen wollen sie unbedingt sehen: Die Paviane sind einegefährdete Spezies, die besonderen Schutz braucht. Zum Beispiel durch das Baboon Management Team
Paviane sind mindestens genauso faul wie schlau. Und weil die Suche nach Insekten und Beeren recht mühsam ist, haben viele Affen am Südzipfel Afrikas eine Strategie entwickelt, wie sie den täglichen Kalorienbedarf schneller decken: Sie brechen in Häuser der Halbinsel bei Kapstadt ein, räumen ganze Küchen einschließlich der Kühlschränke aus und hinterlassen nichts als Chaos. So auch die Paviane von Da Gama Park.
An Tagen, an denen die Mülltonnen vor den Türen stehen, kommt Thembele Jantjies oft zu spät. Thembele ist einer der ersten so genannten Baboon Monitors Afrikas, Babysitter und Bodyguard der Paviane von Da Gama Park. Am Mülltag rast die gesamte Horde durch die Straßen, wirft Tonnen um und verteilt den ganzen Müll in der Umgebung. Erst Stunden nach ihrem Raubzug durch die Wohngegend hat Thembele seine Truppe mit Rufen und Pfiffen wieder auf die höheren, unbewohnten Hänge am Berg zurückgetrieben.
Wenn man die wild lebenden Affen dort besucht und ihnen inmitten der Herde stehend beim Spielen und Turnen in den Bäumen zusieht, kann man kaum glauben, wie sehr manche Bewohner von Da Gama Park die Tiere hassen. Einigen der knapp dreißig Tieren fehlt ein Ohr oder sie haben Narben, die von Messerstichen und Schusswunden stammen. Die neun weiteren Pavianherden am Kap und dem nahe gelegenen Küstenstreifen Overstrand sind ähnlich zugerichtet.
Für seine plündernden Primaten ist auch der Nationalpark am Kap der Guten Hoffnung bekannt. Die Wahrscheinlichkeit, hier einen wilden Pavian aus nächster Nähe zu sehen, ist fast genauso groß wie die, dass er einem wahlweise den Picknickkorb oder die Kamera aus den Händen reißt. Und ein ausgewachsener Pavian, der mit gebleckten Zähnen heranstürmt, ist so niedlich wie eine Mittelohrentzündung. Doch gerade wegen der wild lebenden Affen kommt ein Großteil der Touristen hierher.
Die Pavianprobleme sind allerdings so alt wie die Menschheit in der Kapregion. Laut Primatologen gibt es die Affen hier schon seit mindestens einer Million Jahren, und seitdem die ersten Siedler hinzukamen, prallen Mensch und Affe aufeinander. In den letzten Jahren hat sich der Konflikt zugespitzt. In manchen Herden fehlt mittlerweile monatlich ein Affe, der durch auf ihn gehetzte Hunde oder Schrotflintenschüsse ums Leben kommt. Zum Unglück der Paviane braucht man in Südafrika seit letztem Jahr keine Lizenz mehr, um eine Schrotflinte zu kaufen. Der Affenbestand schrumpft stetig, und die Strukturen innerhalb der Herden sind inzwischen stark gestört. Häufig sind die jüngeren Männchen Opfer der Angriffe. Und wenn diese im Gefüge fehlen, fehlt den Jungtieren der Schutz vor dem Alpha-Männchen, das den Nachwuchs angreift, den es nicht selbst gezeugt hat.
Vor einigen Jahren hat das Baboon Management Team, ein Kollektiv aus mehreren Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen, daher zu ungewöhnlichen Mitteln gegriffen und den am stärksten betroffenen Herden die Baboon Monitors zur Seite gestellt. Sie schützen die Affen vor den Menschen und die Menschen vor den Affen. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, die Paviane zu begleiten und dafür zu sorgen, dass sie gar nicht erst auf die Idee kommen, Plündertouren durch die Wohngegenden zu unternehmen.
„Wir suchen die Herden morgens an ihren Schlafplätzen und bleiben den Tag über bei ihnen. Wenn sie den Häusern zu nahe kommen, treiben wir sie zurück“, erklärt Thembele seine Arbeit. Die positiven Entwicklungen innerhalb der bewachten Affengruppen sprechen für den Erfolg der Pavianpatrouillen. Es gibt weniger Todesfälle und Verstümmelungen, und auch die Anwohner sind dankbar für die Unterstützung.
Doch das Baboon Management Team hangelt sich von Monat zu Monat, und dementsprechend wissen die Monitors meistens nicht, was in den kommenden Wochen aus ihnen wird. Teilweise können kurzfristig improvisierte Touristenführungen zu den Pavianen den Bankrott noch einen weiteren Monat herauszögern. Das Baboon Management Team spekuliert aktuell auf eine Unterstützung von 3,5 Millionen Rand (knapp eine halbe Million Euro) aus der staatlichen Armutsbekämpfung, weil durch das Programm Arbeitsplätze geschaffen werden und die Baboon Monitors in den meisten Fällen arbeitslose Männer aus den Townships Kapstadts sind.
Thembele jedenfalls wird auf seine Pavianherde nicht mehr lange aufpassen. Er ist vom Nationalpark am Kap durch einen langfristigen Vertrag abgeworben worden und kann nur hoffen, dass seine Da-Gama-Park-Affen weiterhin bewacht werden können. Denn der Fortbestand der Paviane, die nicht zuletzt wichtiger Touristenmagnet und Kapital der Region sind, ist nicht gesichert. „Ohne Überwachung sterben die Paviane wie die Fliegen. In ein bis zwei Jahren wäre von denen keiner mehr übrig.“
ANJA JESCHONNECK