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berliner szenenStimmlich nicht auf Wellenlänge

Auf der Bank hat sich ein Vater mit seinen beiden Kindern ausgebreitet. Sie haben sich von drinnen Eis und Getränke geholt und genießen jetzt die Ferienstimmung im Cafégarten. Aber noch mehr scheinen die drei die Anwesenheit der jungen Frau zu genießen, die ihnen gegenübersitzt. Braun gebrannt, bildschön, in schlichten schwarzen Shorts, weißem Top und weißen Turnschuhen. Der Vater ist aufgedreht, er schwärmt von den letzten beiden Abenden: rundherum gelungen, so wie lange nicht. Und das habe natürlich vor allem an ihr gelegen. Sie wehrt ab, das sei ja nicht soo schwer gewesen. Doch, doch, sie habe alle inspiriert mit ihrem Spiel, selbst ihn.

Besonders ihn, so, wie er sie anflirtet. Er ist Chorleiter eines Laienensembles, sie die zusätzlich engagierte professionelle Instrumentalistin. Sie habe das Stück schon ein paarmal mit Paul aufgeführt, mit ihm habe sie studiert. „Ach so, mit Paul, großartig, dazu kann ich dir nur gratulieren“, quetscht der Mann jetzt in erhöhter Tonlage raus, als wolle er alles, nur nicht gratulieren. Bestimmt sei sie auch da toll gewesen – er beugt sich vor und streicht wie selbstverständlich mit dem Zeigefinger an der Außenkante ihrer Shorts entlang. Sie zuckt nicht mit der Wimper. Er wechselt das Thema und schwärmt von einer Hausgemeinschaft, in der gemeinsam gekocht, gefeiert und aufeinander achtgegeben werde. Als er das Stichwort Polyamorie fallen lässt, setzt sie ihre Sonnenbrille auf. Sie guckt so teilnahmslos wie die Kinder, die nicht verstehen, worum es geht, und schon mal vorgehen wollen. Der Vater ermutigt sie, er werde gleich nachkommen. Und rückt etwas näher an die Schöne heran, die sofort aufsteht. „Nein, bleib doch noch“, drängt er sie. Seine Chorleiterstimme klingt wie Schluckauf, ihre dagegen voll und gelassen: „Warum sollte ich?“

Claudia Ingenhoven

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