zahl der woche
: Benzin so teuer wie nie zuvor – Autofahrer bleiben cool

1,231

Mit 1,231 Euro für einen Liter Super-Benzin ist Sprit teurer als je zuvor – aber niemand regt sich auf. Gut: die Bild-Zeitung fragt auf der Titelseite schon noch, wer das bezahlen soll – aber eine Kampagne wie seinerzeit gegen die Ökosteuer bleibt vorerst aus. Das mag auch daran liegen, dass Rot-Grün sowieso als Auslaufmodell gilt.

Grund für den Preisanstieg sind neben dem Beginn der Reisesaison und dem schwächeren Euro die höheren Preise für Rohöl. Und darauf haben die Börsen der Welt bislang ebenfalls mindestens so schnell mit Kursstürzen reagiert wie der Boulevard mit einer veröffentlichten Meinung. Aber auch auf dem Parkett ist nichts mehr so, wie es mal war. Der wieder gestiegene Preis für Öl aus der Nordsee und den USA sorgte für Interesse an den Aktien der großen Ölkonzerne und zog am Donnerstag die gesamte Wall Street ins Plus, die Börsen in Asien und Europa folgten. Der Sturm, der sich über den Bohrinseln im Golf von Mexiko zusammenbraute, konnte die gute Stimmung nicht trüben. Und die Regierungswirren in Bolivien, bei denen es auch um die Frage geht, ob die Erdöl- und Erdgasvorkommen wieder verstaatlicht werden sollen, drangen ebenfalls noch nicht auf das Parkett vor.

Hat sich die Welt also mit steigenden Öl- und Benzinpreisen abgefunden? Besser wäre es. Nach einer gestern veröffentlichten Schätzung der Internationalen Energieagentur (IEA) verbraucht die boomende Wirtschaft in China zur Zeit zwar etwas weniger Öl als erwartet. Das dürfte sich aber mit dem erwarteten Anziehen der Weltkonjunktur zum Jahresende hin ändern, für das letzte Quartal rechnet die IEA mit einem um 1,9 Millionen Barrel höheren Verbrauch als im Vorjahr. Im Schnitt werde die Welt auch in diesem Jahr jeden Tag 84,3 Millionen Fässer Öl schlucken.

Knapp 30 Millionen Fässer davon kommen aus der Organisation Erdöl exportierender Länder (Opec). Und die sieht keine Trendwende auf dem Markt. „Der Preis wird vermutlich hoch bleiben“, erklärte Scheich Ahmed Fahad aus Kuwait, derzeit auch Opec-Präsident. Er war in dieser Woche zu Gast in Brüssel, um gemeinsam mit Vertretern der EU die Lage auf dem Ölmarkt zu beraten. Auf dem habe es noch keine Versorgungsengpässe gegeben, sagte Fahad. „Es gibt aber Ängste in Bezug auf die Zukunft.“

Dabei arbeiten die meisten Opec-Staaten schon jetzt an ihrer Kapazitätsgrenze. Deshalb ist es fragwürdig, ein neues Preisband einzuführen, wie der Präsident jetzt andeutete. Selbst wenn der Ölpreis einen festgelegten Preiskorridor nach oben durchbricht, kann gar nicht jedes Land seine Produktion erhöhen. Und so dürfte es beim Treffen der Opec am kommenden Mittwoch zunächst nur bei einer „Geste“ an die Verbraucherländer bleiben, wie es Nigeria jetzt formulierte.

Vielleicht fällt den Börsen dann wieder ihre Angst vor teuren Rohstoffen ein. Und den Deutschen ihre Benzinwut. Die könnte auch Angela Merkel treffen. Denn die Kanzlerkandidatin hat diese Woche angekündigt, dass auch eine von ihr geführte Bundesregierung die umstrittene Ökosteuer nicht sofort abschaffen könne.

STEPHAN KOSCH