: „Wer den hat, dem hört man zu“
Jakob von Uexküll, Stifter des Right Livelihood Award, prämiert unbequeme Antworten
taz: Herr von Uexküll, Sie haben 1980 den Alternativen Nobelpreis ins Leben gerufen. Warum haben Sie diesen Weg gewählt, sich politisch zu engagieren?
Jakob von Uexküll: Ich hätte damals natürlich auch ein paar Schecks in Briefe stecken und in alle Welt verschicken können. Aber das hätte nie den gleichen Effekt gehabt. Ich bin in den 60ern und 70ern viel gereist, habe Menschen kennen gelernt, die Bücher geschrieben haben mit möglichen Lösungen für die Probleme dieser Welt. Aber die kamen nie zum Durchbruch. Die Frage war: Wie kann man sie bekannt machen? Wenn man wie ich in Schweden aufgewachsen ist, fällt einem natürlich der Nobelpreis ein. Wer den hat, wird ernst genommen. Er kann erzählen, was er will – die Leute hören zu. Doch der Vorstand der Nobelstiftung hat es abgelehnt, einen Preis für Ökologie und Entwicklung zu vergeben, obwohl ich die Mittel bereitgestellt hätte. Da habe ich beschlossen, selbst einen Preis auszuschreiben. Einen Antipreis, wenn Sie so wollen.
Was hat der Preis dazu beigetragen, Ihre Vision vom richtigen Leben – ökologisch, friedlich, gerecht – zu verwirklichen?
Der Preis öffnet Türen: Martin Almada aus Paraguay hat mir erzählt, dass er durch den Preis 2002 in seiner Heimat so bekannt wurde, dass er die Rückkehr des Diktators Stroessner verhindert hat. Erstaunlich! Aber man stößt natürlich ständig an Grenzen. Das beste Beispiel ist wohl José Lutzenberger: Er bekam 1988 unseren Preis, wurde auch dank der dadurch gewonnen Popularität 1990 Umweltminister in Brasilien – und gab 1992 verzweifelt auf, weil er gegen die Mischung aus Feigheit und Korruption einfach nicht ankam.
Liegt darin nicht das Problem eines solchen Preises? Er erregt Aufsehen, doch die Preisträger sind zu isoliert, um ihre Ideen in größerem Rahmen und langfristig umzusetzen.
Auf lokalem und regionalem Niveau hat sich bereits vieles verändert, gerade solche Ansätze in der Dritten Welt fördern wir. Das Schlimme ist: Die Leute, die an der Macht sind, sehen genau, dass es so nicht mehr lange weitergehen kann – was sie auch offen sagen, wenn man privat mit ihnen spricht oder wenn sie entlassen worden sind. Aber solange sie ihre Positionen besetzen, hoffen sie, dass es wenigstens noch ein bisschen weiterfunktioniert.
Vielleicht konnte der Alternative Nobelpreis noch nicht genug einleuchtende Alternativen aufzeigen?
Vielleicht wollen sich zu wenige Menschen damit auseinander setzen. Die Herrschaft des Geldes kann man in zwei Minuten erklären, aber für die Vielfalt der Alternativen muss man sich ein wenig mehr Zeit nehmen. Wir schlagen ja nichts Unmögliches vor. Im Gegenteil, die immer gleichen Wachstumsfantasien für die nächsten zehn, zwanzig, dreißig Jahre – die sind unmöglich.
Sie selbst haben sich früher auch bei den Grünen und bei Greenpeace engagiert. Sind Sie mittlerweile enttäuscht?
Ich bewundere Greenpeace immer noch als Organisation, die aufrüttelt und jungen Menschen Hoffnung gibt. Bei den Grünen ist das anders: Ich finde es katastrophal, was aus dieser Partei geworden ist. Sie wurde gegründet, um den Menschen mit der Natur auszusöhnen. Die Ökologie ist eine Jahrtausendfrage. Aber Leute, die vor zehn Jahren noch in der Mitte der Partei standen, wurden als Fundis und Ökosozialisten rausgeekelt.
Das ökologische Bewusstsein hat im Vergleich zu 1980 aber insgesamt arg nachgelassen.
Das Bewusstsein wird sich vielleicht erst ändern, wenn chaotische Zustände ausbrechen. Das kann schon morgen sein: Ein Flugzeug stürzt auf ein Atomkraftwerk, plötzlich sind große Teile Mitteleuropas unbewohnbar, Millionen Menschen auf der Flucht. Oder die Klimakatastrophe beschleunigt sich.
Was sollten die Menschen dann auch noch machen?
Ich wüsste da ein paar Lösungen. Sie begegnen mir täglich bei meiner Arbeit. Klar, die Modelle, die alternative Nobelpreisträger vorschlagen, haben es schwer, sich durchzusetzen – trotzdem ist der Preis heute wichtiger denn je.
Sind Sie angesichts der von Ihnen beklagten Ignoranz über die Jahre pessimistischer geworden?
Ich bin Possibilist. Ich denke, es ist noch möglich, die Dinge zu ändern. Solange wir nicht erfahren, dass es doch schon fünf nach zwölf ist, gehe ich davon aus, dass es weiterhin fünf vor zwölf ist.
INTERVIEW: JÖRG SCHALLENBERG