: Lückenlos glücklich ohne Atomstrom
ATOMKRAFT Durch den Atomausstieg wird der Strom nicht knapp. Denn die Erneuerbaren stehen bereits in den Startlöchern. Bisher haben sie alle Prognosen übertroffen. Der Serie fünfter Teil
■ Die Serie: Die sieben ältesten Atomkraftwerke müssen laut Atomkonsens in der nächsten Legislaturperiode abgeschaltet werden. Union und FDP aber wollen das verhindern. Die taz nennt in einer Serie über diese AKWs sieben gute Gründe für den Ausstieg.
■ Das Argument heute: Warum die AKWs ohne Stromlücke abgeschaltet werden können. Beispielhaft aufgezeigt am AKW Biblis B (Alter: 33 Jahre).
■ Die Demo: Für den 5. September rufen die Anti-Atom-Initiativen zu einer großen Demonstration unter dem Motto „Mal richtig abschalten!“ nach Berlin. Die Veranstalter sprechen von der „größten Anti-AKW-Demo, die Berlin je gesehen hat“. Aus über 100 Städten fahren Busse und Sonderzüge.
■ Der Service: Mehr über und von Initiativen nicht nur von Atomkraftgegnern finden Sie auf www.bewegung.taz.de
BERLIN taz | Eine Doppelabschaltung könnte es ohne Stromlücke geben: Bleibt es beim geplanten Atomausstieg, müsste in den kommenden vier Jahren zuerst der Reaktor Biblis A vom Netz gehen, danach auch noch Biblis B. Zusammen würde somit eine Leistung von 2.500 Megawatt entfallen – so viel wie an keinem anderen AKW-Standort. Zu Stromausfällen wird es wohl trotzdem nicht kommen, denn die Prognosen für erneuerbare Energien zeigen steil nach oben.
Anfang des Jahres freute sich der Energieversorger RWE noch über das „Rekordjahr 2008 für das Kraftwerk Biblis“. Mit 20 Milliarden Kilowattstunden haben die beiden Reaktorblöcke das beste Ergebnis in ihrer über 30-jährigen Betriebsgeschichte erzielt. Dass damit vermutlich auch der Profit auf einem Rekordstand geklettert ist, wird in der Pressemitteilung nicht erwähnt. Wenn es beim Atomausstieg bleibt, ist es mit solchen Erfolgsmeldungen bald zu Ende. Doch die Union könnte nach den Wahlen längere Laufzeiten durchsetzen.
Für eine sichere Energieversorgung ist das Atomkraftwerk Biblis jedoch nicht nötig, heißt es sogar selbst beim Betreiber RWE. „Aber das muss man im Gesamtkontext betrachten“, betont ein Unternehmenssprecher. Würden in der nächsten Legislaturperiode nämlich wie geplant sieben Reaktoren abgeschaltet, seien Versorgungsengpässe nicht auszuschließen.
Beim Bundesumweltministerium hört sich das dagegen ganz anders an: „Dass ohne Atomstrom die Lichter ausgehen, gehört zu den ältesten Propagandamärchen der Atomlobby“, erklärt Minister Sigmar Gabriel (SPD). Eine Studie des Umweltbundesamtes aus dem März des vergangenen Jahres zeigt, dass die Klimaschutzziele der Bundesregierung erreicht und die Versorgungssicherheit gewährleistet werden kann – unter Beibehaltung des geplanten schrittweisen Atomausstiegs.
Die Untersuchung des Bundesamtes geht allerdings davon aus, dass das Ausbauziel bei der regenerativen Stromerzeugung erreicht wird: Im Jahr 2020 soll ihr Anteil nach Willen der Regierung 30 Prozent betragen. Bei RWE hingegen glaubt man nicht, dass umweltfreundliche Energien die Atomkraft „innerhalb so kurzer Zeit“ ersetzen könnten. Das seien „keine realistischen Annahmen“.
In der Vergangenheit wurden die Regierungsziele jedoch von der Realität noch weit übertroffen: Bis 2010 waren 12,5 Prozent Erneuerbare angepeilt, schon im Jahr 2007 lag der Anteil bei rund 14 Prozent. Der Bundesverband Erneuerbare Energien (BEE) geht nun davon aus, dass im Jahr 2020 knapp die Hälfte des Stroms aus regenerativen Energien kommt – falls es beim Atomausstieg und Erneuerbaren-Energie-Gesetz (EEG) bleibt.
„Der zügige Ausbau würde den wegfallenden Atomstrom mehr als kompensieren“, sagt BEE-Pressesprecher Daniel Kluge. Eine Stromlücke kann er nicht erkennen, vielmehr sei Stromüberfluss das Problem. Dann sei das Leitungsnetz überfordert und die regenerativen Kraftwerke würden ihren Strom nicht los.
FELIX WERDERMANN