berliner szenen Sound und Vision

Knutschen die jetzt?

Ich bin bei einem Freund zu Besuch, und wir schauen uns den Film von Ringo Starr über Marc Bolan an, den es jetzt neu auf DVD gibt. T. Rex ist großartig, aber ich kann vor allem die Augen nicht von dem Bassisten lassen, wenn die Kamera auch auf ihn gerichtet ist. Er trägt ein hautenges gelbes Hemd und eine orange Hose. Er bewegt sich konzentriert und stilsicher und bearbeitet seinen Bass wie ein zärtlicher Bauarbeiter.

Der Film ist sensationell. Die Kinder im Publikum, die die Kamera zeigt, sind so glücklich, dass sie selber zu glamourösen Stars werden. Es kommt noch Besuch, eine Freundin. Der Gastgeber und die Frau sind beide aus dem journalistischen Bereich. Über den Tisch hinweg werfen sie sich ständig Kommentare zu. Die Worte bilden einen überdachten Korridor, den entlang ich zum Fernseher schauen muss. Ich fühle mich ungeheuer gestört und bitte einige Male um Ruhe.

Das hält ein bisschen an, aber dann sehen die es wieder nicht mehr ein, dass sie jetzt andächtig still sitzen sollen. Ich versuche, die Worte in die Musik zu integrieren, es klappt. Nach einer Weile muss die Frau gehen, und unser Freund begleitet sie zur Tür. Er bleibt lange weg. Ich denke: Sind sie beide gerade Singles, da bilden sie eine sexuelle Notgemeinschaft. Ich drehe den Ton lauter und fühle mich sehr überlegen, wie ich da nun im Wohnzimmer allein eine besonders starke Version von „Jeebster“ höre. Mir dreht sich der Kopf, aber ich lehne jede Halbherzigkeit ab. Endlich kommt der, der in dieser schönen Wohnung lebt, wieder zurück. Er setzt sich, und ich schaue durch das Halbdunkel zu ihm herüber, kann aber nicht finden, dass er besonders verknutscht aussieht. Unser musikalischer Abend geht weiter.

KATRIN SCHINGS