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Archiv-Artikel

Wie die Alten sungen …

Ehemalige Bewohner der geräumten Yorckstraße 59 haben am Samstag Teile des Künstlerhauses Bethanien besetzt. Heute entscheidet der Bezirk, ob sie bleiben dürfen oder ob wieder geräumt wird

VON FRAUKE ADESIYAN

Es war so was Ähnliches wie ein Fest, am Samstag, 15.59 Uhr am Mariannenplatz. Das Bethanien wurde mal wieder besetzt. Der Ort ist symbolisch, die Zeit auch. Die Besetzer sind die ehemaligen Bewohner der Yorckstraße 59. Dort hatten sie 18 Jahre ganz legal mit Mietvertrag gelebt, bis zur Räumung am vergangenen Montag (taz berichtete). Nun wurden die Mitglieder des linken Hausprojekts erstmals zu Besetzern – an einem historischen Ausgangspunkt der Berliner Besetzerbewegung (siehe Kasten).

„Yorck 59 im Exil“ ist in Rot auf ein Schild gesprüht, das auf den letzten Nutzer verweist: das Sozialamt. Im linken Flügel des Bethanien hatte das Amt bis Ende 2004 gesessen, nun schlafen hier die frisch gebackenen Hausbesetzer. „Wir gehen hier nicht freiwillig wieder raus“, sagt Tina, langjährige Bewohnerin der Yorck 59. Ihre Forderung an das Bezirksamt lautet: „Bleiberecht, bis klar ist, in welches Haus wir endgültig reinkönnen.“

Ein Bleiberecht hat ihnen Franz Schulz, Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg (Grüne), am Sonntag zugesichert. Allerdings nur bis zum heutigen Gesprächstermin der Besetzer mit Mitarbeitern des Bezirksamts. Dort wird entschieden, ob die „Yorcker“ zumindest zwischenzeitlich bleiben dürfen.

Weitere Zusagen konnte Schulz gestern nicht machen. Er verwies zwar wohlmeinend auf den Beginn der Besetzertradition Anfang der 70er-Jahre: „Dass das Bethanien überhaupt noch steht, ist Ergebnis der ersten Besetzung.“ Zur konkreten Zukunft des Yorck-Projekts äußerte sich Schulz aber nur vorsichtig: „Ich möchte, dass die Yorck als Wohn- und politisches Projekt einen guten und passenden Platz bekommt. Dieser Platz muss nicht unbedingt einer der drei bekannten Vorschläge sein.“

Die drei bekannten Vorschläge, von denen Schulz spricht, sind Objekte, die der städtische Liegenschaftsfonds der Yorck 59 kurz vor der Räumung als Ausweichquartier zum Kauf angeboten hatte. Die Verhandlungen waren aber am vergangenen Montag gescheitert. Für die Bewohner war die Bedenkzeit zu kurz. Die vorgeschriebenen zwei Wochen reichten zum Beispiel nicht für nötige Gutachten, weiß auch Schulz: „Nach meiner Einschätzung reichen zwei Wochen nicht für eine solche Kaufentscheidung.“ Außerdem sind die Alternativgebäude sanierungsbedürftig und teilweise seit langer Zeit unbewohnt.

Im Gegensatz zu diesen angebotenen Häusern, sprechen für das Bethanien vor allem sein Zustand und seine Größe. „Allein vom Anschein und vom gesunden Menschenverstand her ist das hier eine günstigere Adresse“, sagt Yorck-59-Sprecherin Tina. Die Entscheidung sei für dieses Haus gefallen, weil der Leerstand bekannt, die Lage günstig und eine Symbiose mit dem im Hauptgebäude ansässigen Kunsthaus gewünscht war. „Auch die Künstler scheinen uns zu unterstützen. Als wir am Samstag das Plakat ausrollten, wurde geklatscht und gejohlt“, erzählt Tina. Auf dem großen Stoffplakat ist zu lesen: „Das Bethanien ist besetzt – Yorck 59 bleibt, jetzt erst recht.“

Doch dass sie wirklich dort bleibt, ist unwahrscheinlich. Zwar sucht der Bezirk derzeit einen Interessenten für das Haus, der soll dort aber einen Kulturbetrieb mit überregionaler Bedeutung entwickeln. Die Verhandlungen mit einem Bremer Kulturmanager laufen, Gespräche mit der Schauspielschule Ernst Busch sind vor wenigen Wochen gescheitert. Der Bezirk hat ein wirtschaftliches Interesse daran, das Haus per Erbbaupacht zu veräußern. „Das Hauptproblem des Hauses sind seine überdurchschnittlichen Bewirtschaftungskosten“, sagt Schulz. Das ansässige Kunsthaus und die Druckwerkstatt bezahlen keine Miete. Erst seit diesem Jahr kommen sie selbst für die Betriebskosten von 3 Euro pro Quadratmeter auf.

Ein Kostenproblem, das im Fall einer Genehmigung durch den Bezirk auch auf die Besetzer aus der Yorckstraße zukommt. Die legen sich jedoch nicht fest, ob sie das Bethanien nur als Zwischendomizil oder als neues Projekt bewohnen wollen. Wenn die Alternativen geprüft seien, könne man sich auch ein Umzug in eines der Liegenschaftshäuser vorstellen, sagt Tina.

Einen prominenten Fürsprecher hat die Yorck 59 auch noch nach der Besetzung. Dem grünen Bundestagsabgeordneten Christian Ströbele leuchtet die Zwischenstation im Bethanien ein: „Bevor das hier leer steht und die Leute kein Zuhause haben … Mit Vernunft und gutem Willen muss das doch möglich sein.“ Etwas resignierter schiebt er hinterher: „Aber da spielt wohl auch Politik eine Rolle.“