: Das Kellerkind siegt
Die Amsterdam Admirals haben die wenigsten Zuschauer in der NFL Europe, gewinnen aber die World Bowl
DÜSSELDORF taz ■ Wir befinden uns im Jahr 2005 nach Christus. Ganz Football-Europa wird von deutschen Teams dominiert. Ganz Europa? Nein! Eine von unbeugsamen Niederländern bevölkerte, gar nicht so kleine Stadt hört nicht auf, Widerstand zu leisten – mit Erfolg. Die Amsterdam Admirals stemmten in der NFL Europe, in der fünf von insgesamt nur sechs Mannschaften in Deutschland beheimatet sind, durch den 27:21-Finalerfolg gegen Titelverteidiger Berlin Thunder ihre erste World-Bowl-Kugel in den – sponsorbedingt – gelben Konfetti-Himmel. Die „Admiräle“, Retter der Bezeichnung „Europaliga“, beendeten damit die seit 1998 anhaltende Serie deutscher World-Bowl-Sieger und unterstrichen – zumindest sportlich – ihre Daseinsberechtigung.
Gleich dreimal in den vergangenen fünf Spielzeiten (2001, 2002, 2004) war es dem Hauptstadtteam geglückt, die 18,6 Kilogramm schwere Glaskugel an die Spree zu holen; zum neuen Rekordsieger mit zusammen vier Triumphen sollte es vor 35.134 Football-Fans in der Düsseldorfer Arena in einem am Ende hochdramatischen Finale nicht reichen. Dabei zählte es zu einer der großen Qualitäten der Berliner in dieser Saison, fast schon verlorene Partien in der Schlussphase noch umzubiegen. Am Samstagabend lautete die Aufgabe, innerhalb von 105 Sekunden Restspielzeit 94 Yards zum siegbringenden Touchdown zu überbrücken. In der wichtigsten Partie des Jahres gelang dies nicht. „American Football auf diesem Niveau ist ein Spiel, in dem Zentimeter entscheiden“, meinte Thunder-Star Christian Mohr nach der knapp missglückten Aufholjagd.
Die am Ende fehlenden Zentimeter und Sekunden verschenkten die Berliner um den besten Angreifer, Quarterback Dave Ragone, und stärksten Verteidiger, Rich Scanlon, der NFL Europe bereits in der ersten Halbzeit. Das Thunder-Laufspiel, durch die verletzungsbedingten Ausfälle von Cal Murray und Brian „The Horse“ Johnson auf Ballträger Little John Flowers reduziert und damit leicht auszurechnen, eine teils löchrige „Offensive Line“, die Spielmacher Ragone allein sechsmal nicht ausreichend schützen konnte, sowie ständig miserable Feldpositionen verursachten ein 7:17 zur Pause, ein 7:24 nach dem dritten Durchgang. Drei Touchdown-Pässe von Ragone auf Aaron Boone, Robert Redd und Flowers reichten in World Bowl XIII für die Thunder-Truppe von Head Coach Rick Lantz nicht.
Ein 14. Endspiel in der stets von Auflösungsgerüchten geplagten europäischen Experimentierliga der US-Mutter NFL (National Football League) wird es ebenfalls geben. Jim Connelly, Europa-Chef der Liga, verkündete sogar die Ausweitung des Entwicklungsprogramms der Liga (statt vier werden acht Profis ein Jahr bei einem Team der Mutterliga trainieren) und betete immer wieder die um ca. 20 Prozent gesteigerten Zuschauerzahlen (18.965 pro Spiel) sowie neue Rekordbesuche bei einzelnen Teams herunter. Schwarze Zahlen gibt es aber erst, wenn durchschnittlich etwa 24.000 Besucher die Stadiontore passieren.
Die bisherigen Zuschauermagneten Frankfurt Galaxy (knapp 30.000) und Rhein Fire (zirka 22.500) erfüllten ihr Soll erneut, und auch die knapp 18.000 Fans pro Partie von Liganeuling Hamburg Sea Devils lassen hoffen. Stete Steigerungen in den vergangenen fünf Jahren meldete auch Thunder, doch ob die mittlerweile durchschnittlich 16.848 Fans in der Hauptstadt auch bei ausbleibendem sportlichen Erfolg treu bleiben, wird die Zukunft zeigen. Den Cologne Centurions (14.231) polierte Rhein-Rivale Düsseldorf mit einer kleinen Völkerwanderung im letzten Heimspiel die Bilanz auf.
Kellerkind bleibt der neue Champion aus Amsterdam (12.877), dem im kommenden Jahr womöglich nur wegen der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland das Schicksal der zuletzt aufgelösten, chronisch defizitären Barcelona Dragons und Scottish Claymores erspart bleibt. Ein sechstes „Team Germany“ in der dann wohl endgültig in „NFL Germany“ umbenannten Liga kann es wegen der geblockten WM-Stadien frühestens 2007 geben. Die Weltmeisterschaft reduziert zudem die möglichen Gastgeber von World Bowl XIV auf die einzigen „Nicht-WM-Stadien“ in Amsterdam oder erneut Düsseldorf.
VOLKER OHM