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Archiv-Artikel

Zwei Arten Lautsprecher

Intellektuelle Auch in Frankreich Legende

Während der Dreyfus-Affäre 1898 wurde der Begriff „Intellektueller“ Bestandteil der politischen Rhetorik nicht nur in Frankreich, sondern weltweit. Seitdem gehört diese Figur, die sich mit dem Wort gegen Unrecht und Gewalt engagiert, zur Grundausstattung des politischen Vokabulars. Dieses Postkartenidyll vom protestierenden, kritischen Intellektuellen ist längst zur Legende verkommen. 1998 sorgten Julien Duval und vier Mitautoren mit ihrer Streitschrift „Le décembre des intellectuell français“ ebenso für Wirbel wie Daniel Lindenberg 2002 mit einem Essay mit dem Untertitel „Enquête sur les nouveaux réactionnaire“, womit die Demontage der Figur des Intellektuellen einen ersten Höhepunkt erreichte.

Beide Bücher lösten eine rege Debatte aus, in deren Verlauf klar wurde, wie anachronistisch etwa die Rede von den „neuen Philosophen“ geworden ist. „Neu“ ist an denen gar nichts mehr, denn sie gehören mittlerweile als „neue Reaktionäre“ zum medialen Mainstream. Für jedermann erkennbar, hatte sich die soziale Schicht der Intellektuellen – nicht nur in Frankreich – verändert. Intellektuelle sind längst nicht mehr alle Kritiker der herrschenden Zustände und stehen sozusagen automatisch links. Nicht erst bei den diesjährigen Präsidentschaftswahlen, sondern schon vor fünf und vor zehn Jahren entschieden sich nicht wenige Intellektuelle für den konservativen Kandidaten Jacques Chirac beziehungsweise Nicolas Sarkozy. Bei der jüngsten Wahl erklärten sich André Glucksmann, Stéphane Courtois, Alexandre Jardin und Pascal Bruckner offen, Alain Finkielkraut und andere verklausuliert für Sarkozy. Dem hat auch der Beistand der Kriegstrommler nicht mehr geholfen.

Übrig geblieben sind von den Intellektuellen zwei Arten von Lautsprechern: die Stichwortgeber für den Medienbetrieb und die Überbietungsathleten des Radikalismus im Leerlauf. Für den ersten Typus steht der Windmacher Bernard-Henri Lévy, für den zweiten der Philosoph Alain Badiou. Der machte für den Wahlerfolg des rechtsextremen Front National mit rund 6,5 Millionen Stimmen alle Regierungen von links wie von rechts seit Mitterrand (1981) verantwortlich und bezichtigte „die“ Intellektuellen pauschal, „nach dem zeitweiligen Verschwinden der kommunistischen Hypothese, die volksfeindliche Gewalt“, „den Rassismus“ und „die Islamophobie“ erfunden zu haben.

Rudolf Walther