: „Ich mag es lieber solide“
In der CDU muss viel bewegt werden, sagt Stefan Kwasniewski, Landeschef der Lesben-Schwulen-Union. Aber immerhin gab es schon Lob von Beckstein
AUS DÜSSELDORF LUTZ DEBUS
Gibt es schwule Christdemokraten im Düsseldorfer Landtag? Natürlich, lacht Stefan Kwasniewski, er sei ja schon einmal dort gewesen. Der Vorsitzende der Lesben und Schwulen in der Union (LSU) in Nordrhein-Westfalen wurde kurz vor der Wahl eingeladen. Zwar nicht von CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers, aber immerhin von Regina van Dinther – in der vergangenen Woche wurde sie zur neuen Landtagspräsidentin gewählt. Begeistert erzählt Kwasniewski vom Treffen mit der Parteifreundin aus dem südlichen Ruhrgebiet: „Wir stellten viele Gemeinsamkeiten fest. Sie hat die gleichen Probleme in der politischen Arbeit.“ Vorgesehen für das Gespräch waren 30 Minuten, nach zwei Stunden bei Kaffee und Fruchtsaft war van Dinther dann ausreichend gewappnet: Sie sollte die Unionsführung auf einer Diskussionsrunde beim Düsseldorfer Christopher-Street-Days vertreten.
Überall wo Kwasniewski auftaucht, wiederholt sich die Szene. Ob beim Kleinen Parteitag, bei der Seniorenunion oder eben im Landtag. Binnen weniger Minuten sind die Berührungsängste verflogen. Eine ältere Dame scherzte nach dem Treffen mit dem 35-jährigen gar: „Den hätt‘ ich gern als Schwiegersohn.“ Stefan Kwasniewski freut das: Er posiere nicht wie andere auf Paraden mit nacktem Oberkörper oder noch unbekleideter, er trage Anzug und Krawatte: „Die Medien stellen Schwule so schrill dar. In Wirklichkeit sind wir doch ganz normal.“
Tatsächlich scheint die Zeit, in der Schwule in der Union nichts zu suchen hatten, vorbei. An die Kiesling-Affäre kann sich der Landesvorsitzende der LSU nicht mehr erinnern. Als der angeblich homosexuelle 4-Sterne-General aus der Bundeswehr entlassen wurde, weil er für den damaligen Verteidigungsminister Wörner ein Sicherheitsrisiko darstellte, war Kwasniewski gerade 15 Jahre alt: „Kohl hat über seine schwulen Minister immer schützend die Hand gehalten“, verteidigt Kwasniewski den Altkanzler.
Manchmal muss die LSU noch Überzeugungsarbeit innerhalb der Partei leisten. Als Norbert Geis von der CSU vor drei Jahren bezüglich der so genannten Homo-Ehe von Perversion sprach, vereinbarte die LSU Bayern ein Termin mit ihm. „Seit er mit unseren Leuten gesprochen hat, ist er sehr viel ruhiger geworden.“ Bayerns Innenminister Beckstein findet sogar Worte des Lobes: „Die LSU wirke dem verzerrten Bild, das Rot-Grün von der Union zu zeichnen pflegt, entgegen“, so der Rechtspolitiker: Der LSU gebühre große Anerkennung. Selbst Angela Merkel sprach als Gastrednerin bei der letzten Bundesmitgliederversammlung.
Stefan Kwasniewski ist überzeugter Schwarzer: „In der Union kann noch am meisten verändert werden“, sagt Kwasniewski. Die großen Parteien, eben auch die SPD, hätten sich dem Thema erst mit Verspätung zugewandt. Tatsächlich haben FDP und besonders die Grünen mehr Lobbyarbeit für die Rechte Homosexueller gemacht. Er habe aber nicht den Weg des größtmöglichen Widerstands gehen wollen, für die Parteizugehörigkeit des Wahl-Düsseldorfers gebe es andere Gründe.
Aufgewachsen ist der 35-jährige in Bottrop. In manchen Stimmbezirken war da die CDU nur dritte Kraft, hinter SPD und DKP. Insofern war also die Hinwendung zur Union dort fast schon ein mutiger Schritt. Kwasniewski machte eine Lehre als Kaufmann, studierte anschließend Wirtschaftswissenschaften. „Spätestens dann kommt man zur CDU.“ Bei den Liberalen habe ihm die soziale Komponente gefehlt. Eingetreten sei er aber erst vor drei Jahren. Zuvor war er zu sehr mit Studium und Referendariat beschäftigt. Inzwischen ist er beamteter Fachlehrer, unterrichtet an einem Wirtschaftsgymnasium und an einer Berufsschule in Düsseldorf.
Seine neue Heimatstadt mag er sehr. Die Metropole an Rhein und Düssel sei Großstadt und Dorf in einem. Jeder kenne jeden und trotzdem sei immer etwas los. Die schwule Szene leide allerdings an dem großen Nachbarn im Süden. „Köln wirkt wie ein Magnet.“ Zum Ausgehen fahre Mann doch leider eher in die Domstadt. Dann aber wird Stefan Kwasniewski fast zum schwulen Standortpolitiker: „In Düsseldorf gibt es inzwischen auch moderne Kneipen.“ Den Christopher Street Day feiere man schon im zweiten Jahr. Der LSU-Vorsitzende gehört natürlich zum Organisationskommitee.
Vor der Landtagswahl war er mit seinem Landtagskandidaten Thomas Jarzombek unterwegs in der nächtlich-schwulen Landeshauptstadt. In der ersten Kneipe, die die beiden Männer ansteuerten, wurden sie mit ihren Wahlkampf-Flyern freudig begrüßt: „Toll, dass ihr endlich hier seid. Ich wähle immer CDU.“ Im zweiten Szenetreff gab sich die Kundschaft reservierter. Ein bekennender Grünwähler diskutierte mit dem Landtagskandidaten alle Knackpunkte zwischen Schwarz und Rosa. Aber dass sich ein CDUler in sein Bistro verirre, habe ihm schon imponiert. Bei der letzten Station zückte ein Barbesucher spontan seinen Mitgliedsausweis. Statistisch gesehen, so Kwasniewski, müsste es doch genau so oft Schwule und Lesben in der Union geben wie im Bevölkerungsdurchschnitt. Er schätzt den Anteil auf 5 bis 10 Prozent. Ein Fußballstadion voller homosexueller CDU- Mitglieder.
Auch für Spitzenpolitiker sei es kein Tabu mehr, schwul zu sein. Volker Beck von den Grünen sei da am lockersten, habe es aber in seiner Partei auch am leichtesten. Klaus Wowereit sei ja, bevor er sich auf dem Berliner Parteitag mit seinem legendären Satz outete, von der Presse unter Druck gesetzt worden. Ähnlich Ole von Beust. Ohne Schill und den Vater von Beust wäre die sexuelle Orientierung des Bürgermeisters von Hamburg kein großes Thema. Den Hamburger finde er übrigens, unabhängig von seiner Parteizugehörigkeit, sympathischer als den Berliner Bürgermeister. „Wowereit ist doch ein Partylöwe. Ich mag es lieber solide.“
Dabei wohnt Stefan Kwasniewski in einem zumindest ehemals verruchten Stadtteil von Düsseldorf, in Oberbilk. Am Nebenausgang des Hauptbahnhofes gelegen, war das Straßenbild lange Jahre geprägt von Junkies, Prostituierten und patrouillierenden Polizeiautos. Noch von sozialdemokratischen Kommunal- und Landespolitikern geplant, verlor Oberbilk langsam sein Gesicht. Kongresszentren, Versicherungen, Gerichte und Behörden, ein kleines Manhattan wuchs auf den Industriebrachen. Die CDU in Düsseldorf forciert diesen Wandel. Stefan Kwasniewski ist stolz auf die Wohnungspolitik seiner Partei. „Wenn Geld in den Stadtteil kommt, kann auch etwas passieren.“ Man müsse vermeiden, dass zu viele sozial Benachteiligte in einem Viertel leben.
Er selbst bewohnt in einem Single-Haushalt eine Dreizimmerwohnung in einem modernen, poppig-bunt angestrichenen Betonbau mit Blick auf den neu angelegten Park. Auf dem Rasen spielt eine arabisch sprechende Familie Boule. Neben dem Park stehen Mietskasernen der Fünfziger Jahre. Jalousien herunter gelassen, die Fenster ohne Scheiben. „Die Häuser werden in ein paar Wochen abgerissen. Da kommt ein großes Altenpflegeheim hin.“
Das Land hat sich geändert in den vergangenen 20 Jahren. Deindustrialisierung. Überall Dienstleister. Schwule CDUler, die für die Selbstverständlichkeit eintreten, dass es schwule CDUler gibt. Bleibt nur noch die Eingangsfrage. Gibt es schwule CDU-Abgeordnete im neuen Düsseldorfer Landtag? „Ich hoffe, dass sich der eine oder andere nach den Koalitionsverhandlungen erklären wird.“