: Feilschen um jeden Zug
Streit zwischen Bahn und Berlin über die Zukunft der Bahnhöfe geht weiter. Bahnhof Zoo ist kein Fernbahnhof, sagt Bahn-Chef Mehdorn. Traditionen und Kundenbedürfnisse müssten stärker beachtet werden, fordert Klaus Wowereit
Der Streit zwischen der Deutschen Bahn AG und dem Berliner Senat über die Zukunft der Berliner Bahnhöfe geht weiter. „Der Bahnhof Zoo ist kein Fernbahnhof“, sagte Bahnchef Hartmut Mehdorn gestern bei der Eröffnung der Ringbahnhalle am künftigen Südkreuz, dem heutigen Bahnhof Papestraße. Das heiße aber nicht, dass dort kein Fernzug mehr halte. Der Ostbahnhof solle weiter Fernbahnhof bleiben. Einzelheiten über die neue Fahrplangestaltung würden aber erst Mitte des Jahres vorliegen und würden mit dem Senat besprochen, so Mehdorn.
Ursprünglich hatte die Bahn – entgegen dem so genannten Pilzkonzept – geplant, den Bahnhof Zoo und den Ostbahnhof weitestgehend vom ICE-Netz zu nehmen. Die Schnellzüge aus dem Westen und Norden der Republik würden dann noch in Spandau, am künftigen Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof und am Bahnhof Papestraße halten; jene aus dem Süden wohl nur noch am Bahnhof Papestraße und am Hauptbahnhof. Bei dem in den 90er-Jahren beschlossenen Pilzkonzept würde der Schienenfernverkehr – der polyzentralen Struktur der Stadt entsprechend – an den Hauptstationen Hauptbahnhof, Zoo, Ostbahnhof, Papestraße und Gesundbrunnen halten: also im Zentrum, im Westen, im Osten, im Süden und im Norden der Stadt.
Die Bahn hatte das Abweichen vom Pilzkonzept mit einigen Minuten Fahrzeiteinsparung begründet. Tatsächlich dürften aber betriebswirtschaftliche Gründe eine gewichtige Rolle spielen. Denn bleiben Zoo und Ostbahnhof am Netz, werden dort die allermeisten Fahrgäste ein- und aussteigen, weil diese Bahnhöfe bequemer als der Hauptbahnhof/Lehrter Bahnhof mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sind. Der Hauptbahnhof würde wenig frequentiert. Wo keine Fahrgäste, da keine Kunden – und keine Mieter für die riesigen Immobilienflächen am und im Bahnhof.
Zudem gibt es einen Nebeneffekt der Zentralisierung: Wer mit öffentlichen Verkehrsmitteln zum Haupt- oder Südbahnhof will, wird zumeist die S-Bahn nutzen, da beide Bahnhöfe keinen Anschluss an das U-Bahn-Netz haben. Die Berliner S-Bahn ist eine Tochter der Bahn AG, ein Mehr an Fahrgästen dürfte da durchaus willkommen sein.
In Berlin stießen die Pläne der Bahn verständlicherweise auf Ablehnung, da sie für die meisten Fahrgäste eine schlechtere Bahnanbindung bedeuteten. Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) versuchte sich gestern dennoch in Diplomatie. Bei einem neuen Konzept mit neuen Schwerpunkten könne „nicht alles so bleiben, wie es einmal war“. Dennoch müsse für den Bahnhof Zoo nachgewiesen werden, warum dort keine Züge mehr halten sollen. Insgesamt forderte Wowereit zu einer Versachlichung der Diskussion auf. Allerdings müssten auch „Traditionen und Kundenbedürfnisse“ berücksichtigt werden, so Wowereit, der für eine Lösung plädiert, „die für die Kunden gut ist und für die Bahn wirtschaftlich zu leisten“.
Mehdorn betonte hingegen, dass Berlin mit dem neuen Konzept einen auf 50 Jahre angelegten Bahnverkehr bekomme. Nicht alle Fernzüge, die nach Berlin hineinführten, könnten auch überall halten. Ein ICE sei keine S-Bahn. Berlin bekomme den schönsten Hauptbahnhof. „Für mich ist egal, ob ich dann mit einer S-Bahn oder mit dem Taxi weiterfahre.“ ROT