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Archiv-Artikel

Lückenschluss der Bahn reißt neue Löcher

Die Trasse für die neue ICE-Strecke Nürnberg–Ingolstadt ist zusammengewachsen, nun fehlt nur noch das Drumherum.Freuen können sich jedoch nur Reisende aus und nach Nordbayern. Andere Regionen und Städte werden abgekoppelt

von ANNETTE JENSEN

Wenn im kommenden Jahr zehntausende Fußballfans von einem Weltmeisterschaftsort zum anderen reisen, soll die neue ICE-Strecke Nürnberg–Ingolstadt fertig sein. Gestern gab es bei der Voreinweihungsfeier mit Bayerns Verkehrsminister Otto Wiesheu (CSU) schon mal viel Eigenlob. Anlass: Die von zwei Seiten gebaute 89 Kilometer lange Trasse ist zusammengewachsen.

Bis Mai 2006 müssen noch die Oberleitungen und das Gleisbett fertig gestellt werden. Dann sollen die ICE-Züge auf einem Teil der Strecke mit 300 Stundenkilometern unterwegs sein. Zusammen mit dem Ausbauabschnitt Ingolstadt–München wird sich die Fahrtzeit zwischen Nürnberg und der bayerischen Hauptstadt dann von heute 100 Minuten auf eine Stunde verkürzen.

Doch die Minuten, die manche Fahrgäste sparen, sind teuer bezahlt: Viele Fahrgäste müssen künftig mit deutlich längeren Reisezeiten rechnen. So wird Augsburg mit doppelt so viel Einwohnern wie Ingolstadt weitgehend vom ICE-Verkehr abgekoppelt. Auch die Fernreisenden aus Schwaben und Mittelfranken brauchen länger. Gewinner sind die nordbayerischen Städte Bamberg, Erlangen und Bayreuth.

Jahrelang hatten Umweltverbände für einen Ausbau der Strecke Nürnberg–Augsburg–München gestritten, die sowohl wesentlich billiger als auch ökologisch besser gewesen wäre. „Die Strecke ist geradliniger, und deshalb wäre die Fahrtzeit letztlich nur gut fünf Minuten länger gewesen“, sagt Gerd Weibelzahl vom VCD Bayern. Unterstützung bekamen die Kritiker vom Bundesrechnungshof, der seit 1990 immer wieder anmahnte, die ICE-Strecke aus wirtschaftlichen Gründen nicht über Ingolstadt zu führen. Bei ihren Recherchen waren die Kassenprüfer auf Rechenfehler gestoßen. So hatte die Bahn zum Beispiel bestimmte Planungskosten nur der Augsburger Strecke zugeschlagen und den Posten auf der gewünschten Konkurrenzstrecke schlicht vergessen.

Schon damals wiesen Kritiker auch auf die Risiken hin, die ein Neubau durch das karstige Gelände bedeutet. Bahn und Verkehrsministerium schlugen alle Bedenken in den Wind und kalkulierten 1985 mit Baukosten von 2,4 Milliarden DM – nicht Euro. Im Jahr 2000 hatte sich die Summe bereits mehr als verdoppelt, und mittlerweile werden 3,6 Milliarden Euro veranschlagt. Die explodierenden Baukosten ergeben sich vor allem aus der Topografie: Um Wassereinbrüche zu vermeiden, mussten 27 Kilometer Tunnel aufwändig abgestützt werden. Außerdem gibt es in der Region viele Höhlen, bei deren Überbauung Sicherheitsmaßnahmen zu treffen sind.

Die Verlängerung der Strecke von Nürnberg nach Erfurt ist zwar offiziell noch nicht beerdigt. Aber dort werden in den kommenden Jahren nur noch ein paar Millionen investiert, um das Baurecht zu erhalten. Geld für ein weiteres Milliardengrab wird es nicht geben – und damit auch nicht die seit der deutschen Einheit proklamierte ICE-Strecke von Berlin über Erfurt und Nürnberg nach München. Während die schwarzen Regierungen in Bayern und Thüringen ihren Protest dagegen bisher an die rot-grüne Bundesregierung richten konnten, haben sie vielleicht bald in Berlin Parteifreunde als Ansprechpartner. Ändern wird das wohl nichts.

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