: Obama gewinnt die Homo-Herzen
ÜBERRASCHUNG US-Präsident spricht sich erstmals für die Homoehe aus. Republikaner toben, Betroffene jubeln
■ Gesetzeslage: In den USA entscheiden die Bundesstaaten über Ehe- und Familienrecht. In 30 der 50 Staaten verbietet die Verfassung die Homoehe. In sechs Bundesstaaten – Connecticut, Iowa, Massachusetts, New Hampshire, New York und Vermont – sowie in der Hauptstadt Washington dürfen Homopaare heiraten. In den Staaten Washington und Maryland haben sich die Gesetzgeber für die Zulassung der Homoehe ausgesprochen. Allerdings sind die Gesetze wegen erwarteter Volksbegehren noch nicht in Kraft.
■ Zustimmung: Rund zwei Drittel der jungen Menschen und 52 Prozent aller US-Amerikaner seien für die gesetzliche Anerkennung der Homoehe, ermittelte das Meinungsforschungsinstitut Gallup im Mai. 1996 hatten nur 27 Prozent diese Ansicht vertreten.
■ Ablehnung: Für viele ältere Bürger, Bewohner der Südstaaten und konservative Christen ist die Homoehe ein Reizwort. Bei einem Referendum am 8. Mai in North Carolina stimmten 61 Prozent der Wähler für ein Verbot der gleichgeschlechtlichen Ehe. (epd)
AUS WASHINGTON DOROTHEA HAHN
Der 44. Präsident hat den Mut, es zu sagen: „Ich bin dafür, dass Homosexuelle die Möglichkeit haben zu heiraten“. Die Erklärung von Barack Obama in einem Interview mit dem Fernsehsender ABC sechs Monate vor den Präsidentschaftswahlen schlug in den USA ein wie eine Bombe.
Lesben- und Schwulengruppen sowie Bürgerrechtsorganisationen, die lange auf ein klares Wort ihres Präsidenten gewartet haben, sprechen von einer „historischen“ Stellungnahme.
Ganz anders Mitt Romney: Obamas designierter republikanischer Herausforderer bei den Präsidentschaftswahlen im November wiederholte, dass er für die „traditionelle Ehe“ – also die zwischen einer Frau und einem Mann – sei. Und meinungsstarke Gruppen vom rechten Rand der republikanischen Partei reden von einem „Krieg gegen die Ehe“.
Doch die rechten Reihen sind nicht geschlossen. In einer auffallenden Dissonanz zur republikanischen Partei lobte Shep Smith, Moderator des rechten TV-Senders Fox, die Erklärung als „Ankunft im 21. Jahrhundert“ und warnte davor, sich auf die „falsche Seite der Geschichte“ zu stellen.
CHRISTINE QUINN, RATSFRAU AUS MANHATTAN
Obama hat sich seit Jahren in der Frage der gleichgeschlechtlichen Ehe als „in der Entwicklung befindlich“ beschrieben. In seiner im Januar 2009 begonnenen Amtszeit als Präsident hat er für mehr emanzipatorische Entscheidungen zugunsten von Homosexuellen gesorgt als jeder Amtsvorgänger. Unter anderem schaffte er die gesetzliche Schweigepflicht für Homosexuelle im Militär – genannt: „Don’t ask. Don’t tell“ (DADT) – ab, die Bill Clinton 1993 eingeführt hatte, und setzte einen gesetzlichen Schutz vor „Hate-Crimes“ gegen Homosexuelle durch. Er setzte sich gegen das Mobben von Homosexuellen an Schulen und Universitäten ein, machte den Respekt für Homosexuelle zu einem Kriterium für die Vergabe von Entwicklungshilfe und Asylentscheidungen und sorgte dafür, dass auch gleichgeschlechtliche Paare in den Genuss von Bundesmitteln kommen.
Doch bei der republikanischen Partei verschärfte sich gleichzeitig die Politik gegen die Gleichstellung von Homosexuellen. Unterstützt und angefeuert von Kirchen, LebensschützerInnen und Tea-Party-Gruppen kämpft die republikanische Partei vielerorts gegen die gleichgeschlechtliche Ehe.
Homophobie bekommen auch Republikaner selbst zu spüren. Richard Grenell etwa, den Mitt Romney im vergangenen Monat zu seinem außenpolitischen Sprecher machte, ist schwul. Aber er hielt sich nicht lange. Als er im vergangenen Monat in sein Amt berufen wurde, begannen Gruppen wie die American Family Association und der Family Research Council umgehend, ihn zu attackieren. Romney verteidigte seinen Sprecher nicht. Vergangene Woche trat der aus „persönlichen Gründen“ zurück.
In seinem Interview mit ABC sagte der Präsident ausdrücklich, es handele sich um seine „persönliche Meinung“. Und er betonte, dass jeder Bundesstaat das Recht habe, seine Ehegesetze selbst zu schreiben.
■ Das sagt das Gesetz/LPartG: Seit dem 1. August 2001 gibt es die eingetragene Lebenspartnerschaft. Sie ist in nicht allen rechtlichen Fragen der bürgerliche Ehe gleichgestellt.
■ Das sagt Westerwelle/FDP: Außenminister Westerwelle hat US-Präsident Barack Obama gelobt. Westerwelle sprach von einem „mutigen Schritt“. Er begrüßte Obamas Erklärung auch „im Namen der Bundesregierung“.
■ Das sagt Beck/Grüne: Volker Beck forderte auch für Deutschland ein Ende der Diskrimminierung homsexuelller Paare im Steuer- und Adoptionsrecht. „Es ist an der Zeit, dass auch Angela Merkel öffentlich bekennt: It’s okay to marry gay“, mahnte Beck.
■ Das sagt Höll/Linke: Der Präsident habe „ein international vernehmbares Signal gesendet, das auch der Deutsche Bundestag erhören sollte“, sagte Barbara Höll. Sie forderte, „dass alle Abgeordneten frei von Fraktions- und Koalitionszwängen über die Eheöffnung im Bundestag abstimmen“. (taz)
Homosexuellen-Gruppen geben Obamas Stellungsnahme dennoch hohe symbolische Bedeutung. Vom Bundesstaat New York, der die gleichgeschlechtliche Ehe vor wenigen Monaten zugelassen hat, bis nach Kalifornien, das die gleichgeschlechtliche Ehe zunächst eingeführt und dann wieder abgeschafft hat, fanden am Mittwoch nach Obamas Interview spontane Partys statt.
In Manhattan sprach Ratsfrau Christine Quinn – die in wenigen Tagen ihre Partnerin heiraten will – von einem „entscheidenden Moment auf unserem Weg zu Gleichheit“.
In San Francisco erkennt die Gruppe Equality California eine „machtvolle Botschaft“. Und der Präsident der Bürgerrechtsgruppe Freedom to Marry, Evan Wolfson, glaubt, „dass die moralische Führung des Präsidenten einen riesigen Unterschied macht und den Amerikanern helfen wird“.