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Archiv-Artikel

Adel vernichtet

KLUNKER Die Hohenzollern lassen einen ihrer Kronjuwelen versteigern. Geschichtsbewusst geht anders

Kronjuwelen zu verkaufen

■ Der Termin: Am 15. Mai lässt Georg Friedrich Prinz von Preußen bei Sotheby’s in Genf den Diamanten „beau sancy“ versteigern. Schätzpreis sind zwei bis vier Millionen Dollar.

■ Die Geschichte: Vorbesitzerin des Steins war unter anderem Maria von Medici, die ihn nach der Ermordung ihres Mannes verkaufte. Im 18. Jahrhundert wurde der „beau sancy“ in die preußische Krone eingearbeitet. Friedrich II. ließ ihn herausbrechen und schenkte ihn seiner Ehefrau. Seitdem ist er Teil des hohenzollernschen Brautschmucks. Mit dem Verkauf will der Prinz von Preußen unter anderem Renten für Bedienstete finanzieren. Das heiße nicht, dass man pleite sei, ließ die Verwaltung des Hauses wissen.

VON AMBROS WAIBEL

Wie alle Uradligen waren die Hohenzollern einst gemeine Räuber. Die schrecklichen Rittersleut der Altvorderenzeit besetzten einen Platz in der Höhe, ließen ihn durch Zwangsarbeit befestigen und nahmen den Bauern in der Umgegend mit roher Gewalt so viel wie möglich von ihrer Ernte weg, um sich davon schöne Dinge zu kaufen – Edelsteine zum Beispiel.

Weil die Adligen aller Länder solch üble Burschen waren, brachten geistig regere Völker sie regelmäßig aufs Schafott oder entledigten sich ihrer auf weniger ausgefeilte Weisen. Wir erinnern hier nur an die Französische Revolution: „Die Aristokraten an die Laterne!“

Auch bei uns hingen die Leute keineswegs immer ihren „angestammten“ Dynastien an. Die Deutschen legten eher zu früh los, der Deutsche Bauernkrieg (1524 ff.) geriet zum Desaster, die noblen Edlen schlachteten brutalstmöglich ab, was ihnen vor Schwert und Lanze kam. Martin Luther sprach den Segen dazu.

Erst 1918 war der Spuk endlich vorbei – aber es brauchte schon einen verlorenen Weltkrieg mit Millionen von Toten und eine Revolution, um den deutschen Adel zumindest von der politischen Oberfläche wegzuräumen. In seiner überwiegenden Mehrzahl (Ehre, wem Ehre gebührt) blieb er demokratiefeindlich und wurde folgerichtig später naziduldsam: Die Bombe ließen die Junkergeneräle erst dann hochgehen, als sie fürchten mussten, der parvenühafte Führer würde sie mit in den Untergang ziehen.

Dabei war die Demokratie von Weimar äußerst brav mit den alten Potentaten umgegangen. Dem ehemaligen preußischen Königshaus blieben in Deutschland 39 Gebäude und Grundstücke – darunter das Stammnest Burg Hohenzollern –, man kassierte 15 Millionen Reichsmark Entschädigung bar auf die Hand und die Kronjuwelen gab es gratis dazu. Dies für ein Herrscherhaus, das gerade die Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts ausgelöst hatte – der Berliner würde sagen: Da kann man nich meckern!

Einen dieser Kronjuwelen lässt das Haus Hohenzollern mit seinem jungen Chef Georg Friedrich (bekannt durch seine im RBB-Fernsehen übertragene Hochzeit 2011) nun am 15. Mai bei Sotheby’s im schönen Genf unter den Hammer bringen. Der zuständige Senior Director David Bennett, Chairman Jewellery, teilt mit, dass der Schätzpreis von zwei bis vier Millionen Dollar die „Qualität und außerordentliche Geschichte des Diamanten“ spiegle.

„Magnificent and Noble Jewels“ heißt passend die Auktion, „Le beau sancy“ oder auch „Der kleine Sancy“ nennt sich die 34,98 Karat schwere Gemme. Ursprünglich kommt der 22,3 Millimeter hohe und 19,5 Millimeter breite Diamant wie die meisten der wirklich wertvollen historischen Diamanten aus den Minen des zentralindischen Hyderabad.

Arg schön ist der „Schöne“ übrigens nicht, er sieht eher blass aus.

Als bedeutendes Artefakt der deutschen Geschichte wird man ihn auch nicht bezeichnen mögen – im Gegensatz zu seinem großen Bruder, dem „Sancy-Diamanten“, der als Teil der französischen Königskrone heute im Louvre glänzt. Den kleinen „Sancy“ machte Friedrich I., König in Preußen, Anfang des 18. Jahrhunderts zum Schmuck seines Headsets. Damit stand das Mineral an erster Stelle unter den Kronjuwelen, die – wir erinnern uns – heute Privatbesitz des Hauses Preußen sind.

Prinz Georg Friedrich verkauft, um „Renten für Bedienstete“ bezahlen zu können. Deutschland ist endgültig sozialdemokratisch geworden

Friedrich II. ließ den Zacken 1740 wieder aus der Krone rausbrechen und überantworte ihn seiner sonst wenig gewertschätzten Gattin Elisabeth Christine. So wurde das hübsche Ding heruntergestuft zum Brautschmuck hohenzollerscher Frauen, die aus politischen Gründen in ganz Europa verscherbelt wurden. Als Wilhelm II., der letzte deutsche Kaiser vor Franz Beckenbauer, 1918 ins Exil zum Holzhacken nach Holland floh, ließ er den Klunker in Berlin zurück – den Rest wissen wir.

Seitdem gilt dem Adel, so scheint es, der Kronjuwel weniger als Kulturgut denn als Geldreserve: Georg Friedrich Prinz von Preußen verkauft das Ding im Jahr des 300. Geburtstages seines großen Ahnen Friedrich, nach eigenen Angaben, um „Beihilfen, Apanagen und Renten für Bedienstete“ bezahlen zu können. Deutschland ist damit endgültig sozialdemokratisch geworden.

Den Stein als historisches Dokument wird es dabei möglicherweise bald nicht mehr geben. Eine ähnlich bedeutende, in jedem Fall aber hübschere Preziose, der „Blaue Wittelsbacher“ aus dem gleichnamigen Herrscherhaus, wurde, nachdem er ab 1951 durch verschiedene private Hände gegangen war, 2008 für 18,4 Millionen Euro von Christie’s versteigert und anschließend – umgeschliffen! Was ungefähr so ist, als würde man eine Mehrzweckhalle an Sanssouci anbauen oder einen Handymast auf Neuschwanstein montieren.

Dem Adel ging dieses Land schon immer am „Beau“ vorbei.