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Archiv-Artikel

Eine Piratin mit Programm

PARTEIEN Zusammen mit ihrem Mann Daniel tritt Anke Domscheit-Berg bei den Piraten ein. Die haben mit der Lobbyistin für Open Government und Chancengleichheit der Geschlechter einen guten Fang gemacht, denn Politikberatung ist genau ihr Metier

BERLIN taz | Es war der gefühlt hundertste Dialog von Anke Domscheit-Berg mit den Piraten: „ich: Ihr habt zu wenig frauen. Piraten: dann komm doch! ich: kultur gefällt mir nicht. Piraten: dann komm und hilf sie zu ändern.“ Aber am Donnerstag ließ Anke Domscheit-Berg das Gespräch nicht versanden, diesmal schickte sie ein „okay“ zurück.

Die Piraten haben damit einen kapitalen Fang gemacht: Zusammen mit ihrem Mann, dem Wikileaks-Mitgründer Daniel Domscheit-Berg, ist Anke Domscheit-Berg am Donnerstag in die Partei eingetreten. Beide sind seit langem in den Tiefen des Netzes unterwegs, Daniel Domscheit-Berg etwa gründete nach einem Krach mit Wikileaks-Chef Julian Assange seine eigene Whistleblower-Plattform OpenLeaks.

Anke Domscheit-Berg hat vor allem zwei Qualifikationen, die sie für die Netzpartei interessant macht: Zum einen betätigt sich die Ex-McKinsey-Beraterin und Ex-Microsoft-Managerin seit Jahren als Lobbyistin für „Open Government“. Und Open Government, das ist der Spezialbegriff für das, was die Piraten eigentlich wollen: eine transparente Verwaltung mit offenen Prozessen, an denen die AdressatInnen der Verwaltung mitwirken können. „So gut haben mir die Piraten das noch nie erklärt,“ hörte sie öfter bei ihren Lobbygesprächen zum Thema.

Zum anderen könnte sie als Feministin die Piraten geschlechterpolitisch alphabetisieren. Die Trägerin des Berliner Frauenpreises hat etwa bei McKinsey die beiden Studien initiiert, nach denen geschlechtergemischte Führungsgremien bessere Umsätze erzielen als homogene. Sie wirkt in überparteilichen Fraueninitiativen mit und setzt sich für eine Quote in Vorständen und Aufsichtsräten der Privatwirtschaft ein.

„Die Piraten sind frauenpolitisch nicht da, wo ich sie gern hätte“, erklärt sie freimütig. Aber die Partei hätte sich in den vergangenen 12 Monaten sehr verändert. „Die Vision des Postgender ist richtig“, meint Domscheit-Berg. Nur auf dem Weg dahin müsse man die sozialen Effekte bedenken, die dazu führen, dass Frauen anders auftreten als Männer. „Man kann nicht nur feststellen, dass Frauen leiser reden und sich nicht in den Vordergrund drängen. Man muss diese ungleichen Chancen aktiv ausgleichen. Mit Ignorieren kann man das Problem nicht lösen“.

Weil aber die Piraten nicht aus geschlossenen Männerzirkeln bestehen, sondern sich gleiche Chancen für Menschen jeder Art auf die Fahnen geschrieben hätten, seien sie offen für geschlechterpolitische Interventionen.

„Schlimmer als bei eingefleischten Managern mittleren Alters kann das nicht werden“, findet die heute freiberufliche Beraterin für Open Government und Geschlechterpolitik. Ihre erste Aktion: Anke Domscheit-Berg wird sich nicht Pirat nennen, wie es weibliche Piraten öfter tun. Sie nennt sich Piratin. Und das ist Programm.

HEIDE OESTREICH