: Miese Krise
Fußball-Bundesligist Eintracht Frankfurt ist seit neun Spieltagen sieglos. Cheftrainer Oliver Glasner wirkt wie die gesamte Mannschaft vor dem Duell im DFB-Pokal mit dem VfB Stuttgart angefasst
Aus Frankfurt Frank Hellmann
Wer das ProfiCamp von Eintracht Frankfurt betritt, kommt am großen Flachbildfernseher im Foyer gar nicht vorbei, über den die Höhepunkte der bewegenden Vereinsgeschichte in Endlosschleife flimmern. Darunter auch die Bilder von der magischen Nacht aus dem Mai vergangenen Jahres, als der hessische Bundesligist mit dem Europa-League-Triumph in Sevilla ein besonders ruhmreiches Kapitel schrieb. Mittendrin ein feixender Trainer Oliver Glasner. Doch fast ein Jahr später ist davon nichts mehr übrig. Neun sieglose Bundesligaspiele hintereinander haben viel kaputt gemacht. In der Rückrundentabelle liegen die Hessen auf Rang 15.
Am Montag ging Glasner in einer denkwürdigen Pressekonferenz vorm DFB-Pokalhalbfinale beim VfB Stuttgart (Mittwoch 20.45 Uhr/ ARD und Sky) gleichwohl zum Gegenangriff über. Das Stimmungsbild werde viel zu negativ gezeichnet, mäkelte der 48-Jährige. Platz neun in der Liga sei schließlich „kein Volldesaster“, der Vorstoß unter die letzten vier im Pokal sei „gut“, das Erreichen des Champions-League-Achtelfinals sogar „herausragend“. Ergo geißelte der gebürtige Salzburger die Kritik als „aktionistisch und populistisch“. Klar, das Eintracht-Schiff segele gerade durch „einen kleinen Sturm“.
Quasi als Aufmunterung für den Pokalsieger von 2018 erzählte er noch die Geschichte, wie er mit der aus Österreich angereisten Familie am Sonntag über den bei dem schönen Wetter mit Menschen gefluteten Römer gelaufen sei und gedacht habe: „Wäre schön, hier wieder zu stehen – das macht schon ein bisschen süchtig.“ Doch Glasner weiß natürlich, dass längst nicht mehr eitel Sonnenschein im Klub herrscht; dass seine Mannschaft in dieser Zusammensetzung keine Zukunft mehr hat.
Die Indizien mehren sich, dass der vor einem Jahr von den Massen gefeierte Fußballlehrer keinen Zugriff mehr findet. Er beschrieb die Malaise am Feiertag so: „Die Spieler wollen, sie machen, sie tun. Die Tür ist momentan so fest zu, dass wir uns beim Anlaufen eine Beule nach der anderen holen.“ Nach dem furchtbaren Kick gegen den FC Augsburg (1:1) hatte er ähnliche Worte gewählt: „Es liegen viele Steine in unserem Weg, die die Jungs stolpern lassen. Wir arbeiten Fußball mehr, als dass wir Fußball spielen.“
Und so hinterfragt sich auch der Trainer, der indirekt seinen Job zur Verfügung stellte: „Wenn jemand der Meinung ist, dass es jemand besser kann als Oliver Glasner, dann wird man es mir sagen. Dann packe ich meine Sachen, und der nächste wird es versuchen.“ Darin schwang ebenso viel Zynismus wie Sarkasmus mit. Auf all seinen Stationen habe es schließlich keiner seiner Nachfolger „besser gemacht als ich“. Glasners Verdienste sind durch den Europapokalsieg freilich zu groß, sodass die ohnehin zerstrittenen Gremien diese Saison nicht mehr eingreifen.
In der aktuellen Verfassung reisen die Adlerträger mit erschlafften Flügeln zum Abstiegskandidaten aus dem Schwabenland. Bei einem Ausscheiden könnten alle Seiten zum Schluss kommen, dass eine Zusammenarbeit über das Saisonende hinaus wenig Sinn ergibt. Erschwerend kommt hinzu, dass es dem Klub an Zusammenhalt und Führungsstärke mangelt. Mit Vorstand Axel Hellmann wird seit Wochen über die Zukunft des wichtigsten Funktionärs spekuliert. Der fühlt sich geschmeichelt vom Angebot, die Deutsche Fußball-Liga mit viel Investorengeld in die Zukunft zu führen. Dafür müsste der Jurist aus seinem Vertrag aussteigen. In dieser Gemengelage hat immerhin Sportvorstand Markus Krösche beteuert zu bleiben.
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