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Archiv-Artikel

Genossen könnten baden gehen

EU-Mittel und Kredite liegen für die Sanierung des Stadtbads Oderberger Straße bereit. Senat und Banken warten auf grünes Licht des jeweils anderen. Die Zeit läuft. Badgenossen denken an Aufgabe

„Wenn bis 30. Juni keine Zusage erfolgt, leiten wir die Rückabwicklung ein“

VON KARSTEN SCHÜLE

Nahezu 20 Jahre währt die Odyssee um das Stadtbad Oderberger Straße, deren Ende mit der heutigen Sitzung der Eigentümergenossenschaft seinen Anfang nehmen könnte. Denn die geplante Sanierung des Bades in Prenzlauer Berg droht an einer Köpenickiade zu scheitern.

16,5 Millionen Euro soll die Renovierung kosten. 5 Millionen davon sollen aus einem EU-Topf kommen. Die müsste der Senat freigeben. Der will aber zuvor sichergehen, dass weitere 5 Millionen Euro über Bankkredite abgesichert sind. Die Banken wollen aber erst ihr Geld ins marode Becken schütten, wenn die EU-Förderung steht.

1899 begann mit der Grundsteinlegung die Geschichte der Volksbadeanstalt Prenzlauer Berg. Sein Neorenaissancestil zeichnet das Bauwerk als herausragendes Denkmal aus, zudem war es stets einer der wichtigen sozialen Bezugspunkte im Kiez. Wegen des Auftretens von Rissen in Gewölbe und Becken wurde das Bad 1986 geschlossen.

Der Kiezbewohner Bernd Holtfreter kämpfte schon zu DDR-Zeiten als Oppositioneller, nach der Wende als PDS-Abgeordneter für die Sanierung des Bades. 1990 rief er zur Gründung der Bürgerinitiative Stadtbad auf. Mit Kunst und Kultur lebte das Gebäude als Veranstaltungsort. Ein Jahrzehnt später entstand aus der Anwohnerinitiative die Genossenschaft Stadtbad Oderberger Straße mit heute 1.200 Mitgliedern. Die konnte nach langen Verhandlungen mit Land und Bezirk schließlich 2002 das alte Bad erwerben. Wenig später starb der beigeisterungsfähige Badfan Holtfreter. Die Sanierung kommt nicht mehr voran. Eine Saunalandschaft mit Schwimmbecken, Restaurant und Fitnessbereich sollte entstehen – geplante Eröffnung: 2007. Wenn der Umbau dann nicht vollendet ist, fällt das Bad laut Kaufvertrag an das Land zurück.

Die Arbeiten müssten folglich längst im Gang sein, sagt Thomas Bremen, Vorstand der Genossenschaft: „Wir sind dabei, unseren Teil des Vertrages, nämlich aus dem Bad wieder ein Bad zu machen, zu erfüllen“, erklärt Bremen. „Was fehlt, ist die feste Zusage des Senats, sich an der Finanzierung zu beteiligen“, ärgert sich Bremen.

Der Antrag muss von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung in den Senat eingebracht werden. Ein erster Antrag im Februar scheiterte, weil die Senatsmitglieder hinsichtlich des Finanzierungskonzepts weiteren Klärungsbedarf sahen. Auf einen zweiten Antrag warten die Genossen bis heute vergeblich.

Michail Nelken, baupolitischer Sprecher der PDS und selbst Badgenosse, findet das zögerliche Handeln zu ängstlich. „Irgendwann muss einfach eine Entscheidung getroffen werden.“ Zudem könne die Stadt nichts verlieren. Die Banken prüften das Finanzkonzept eh ein weiteres Mal. Und sollte die Genossenschaft wider Erwarten Pleite gehen, sei das Geld immerhin sinnvoll in einen Teil der sowieso notwendigen Sanierung des denkmalgeschützten Hauses investiert. Einziges Problem sei der Zugzwang, unter dem die Stadt dadurch stünde. Denn dann stellte sich auch die Frage nach der Restfinanzierung.

Petra Roland, Pressereferentin der Stadtentwicklungsverwaltung, sieht das kritischer. Seit der Finanzmisere um den Neubau des Tempodroms sei Berlin ein gebranntes Kind. Bevor es von den Banken keine Kreditzusagen gebe, halte sich die Stadt zurück. Zudem, deutet sie an, bestünden in den Fraktionen des Abgeordnetenhauses noch immer offene Fragen. Die müssten die Genossen erst beantworten.

„Wenn es noch offene Fragen gibt, dann sollten die auch an uns herangetragen werden“, ärgert sich Genossenschaftsvorstand Bremen. Vor etwa sechs Wochen habe man die Senatsverwaltungen für Wirtschaft und für Stadtentwicklung schriftlich nach dem Stand der Dinge gefragt. Bis zum heutigen Tag sei jedoch keine Antwort eingegangen. Auf der heutigen Genossenschaftssitzung will Bremen dem Senat eine Frist setzen: „Wenn bis 30. Juni keine verbindliche Zusage des Senats erfolgt, werden wir die Rückabwicklung des Vertrages einleiten.“ Dann müsste das Land wieder allein eine der schönsten Ruinen der Stadt verwalten.