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WirtschaftFeindbild Wärmepumpe

Über die Heizungspläne von Klimaminister Robert Habeck wurde diskutiert, alsginge es um den Weltuntergang. Dabeigeht es um Milliardenumsätze, an denendie fossile Gas-Lobby festzuhaltenversucht – mithilfe von Springer-Medien und FDP.

Kommt bei „Bild“ & Co. nicht gut weg: Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Foto: Jens Volle

Von Jürgen LessatImmer wieder berichtete die „Bild“-Zeitung, und immer dramatischer: „Habeck will Öl- und Gasheizungen verbieten. Schon ab 2024!“ Und: „Habeck führt uns in den Heiz-Kollaps“. Im Februar begann das Boulevardblatt des Axel Springer Verlags eine Kampagne, die bisherige Untergangsszenarien in Sachen Energiewende in den Schatten stellte. Zusammen mit dem Schwestermedium „Die Welt“ nahm sich die Redaktion das Gebäudeenergiegesetz (GEG) vor, dessen Entwurf zuvor aus dem Ampel-Kabinett geleakt worden war.

Nach AKW- und Verbrenner-Aus puschten die Springer-Leute die Wärmepumpe zum neuen Hassobjekt der Twitter-Trolle. Obwohl diese Heizungstechnik eine der effizientesten ist, weil sie pro eingesetzter Kilowattstunde elektrischen Stroms bis zu fünf Kilowattstunden Heizwärme ins Gebäudeinnere pumpt. Kombiniert mit Photovoltaik lassen sich Häuser so klima- und kostenschonend beheizen. Gerade deshalb will Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck (Grüne) mit dieser Technik die Wärmewende nach Jahren des Nahezu-Nichtstuns voranbringen.

FDP propagiert Wasserstoff trotz ungelöster Probleme

Glaubt man „Bild“ & Co., dann taugt alles von Habeck nichts. Wärmepumpen seien unbezahlbar, würden zu Blackouts führen und in strammen Wintern ohnehin versagen, suggerieren Schlagzeilen. Dass die Technik gerade in kalten Ländern boomt, ging dabei unter. Laut europäischem Wärmepumpen-Verband (EHPA) sind allein in Norwegen 1,4 Millionen Geräte installiert. Von 1.000 Haushalten heizen dort 604 damit, der Spitzenwert in Europa. Der Grund: Zum einen subventionierte die norwegische Regierung den Einbau, zum anderen besteuerte sie fossile Energie hoch und verbot ab 2020 Ölkessel. Ähnlich ist die Durchdringung in Schweden (427/1.000) und Finnland (408/1.000).

In Deutschland dagegen schlug sich mit der FDP ausgerechnet eine Ampel-Partei auf die Seite der Wärmepumpen-Gegner vom Boulevard. Mit ähnlichen Argumenten wie zuvor bereits im Streit um das Verbrenner-Aus. „Pauschale Verbote halte ich für falsch – stattdessen sollten wir technologieoffen bleiben und dafür sorgen, dass auch klassische Heizungen in Zukunft klimaneutral betrieben werden können“, so Christian Dürr, Chef der FDP-Bundestagsfraktion. Im Wechselspiel mit „Bild“ und „DieWelt“ brachten die Liberalen Wasserstoff als Alternative ins Spiel, stets im Kontext mit dervorhandenen Gasinfrastruktur. Diese könne künftig auch klimaneutral genutzt werden, etwa über Hybridheizungen und den Einsatzvon Wasserstoff, sagte der bau- und wohnungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Daniel Föst: „Diese Innovationen auszubremsen, wäre der falsche Weg.“ Dürr ergänzte: „Wir haben eine halbe Million Kilometer Gasleitungen, die können wir nicht verrotten lassen.“

Später, nach der Marathon-Koalitionssitzung mit verwässerten Klimazielen als Ergebnis, forderte Dürr „Anreize“ wie eine Abwrackprämie für Altheizungen – im Tausch gegen Wasserstoff-Thermen. Obwohl nicht klar ist, ob und wann es entsprechende Modelle gibt. Oder wie derhochexplosive und hochkorrosive Wasserstoffsicher in die Heizungskeller gelangt. Für Dürrkein Problem. Die Gasheizung könne weiter ein Teil der Lösung sein, noch bis 2035 mit Erdgasbetrieben und danach mit klimaneutralem Wasserstoff, sagte er Anfang April im Morgenmagazin. Übersetzt: nur keine Eile beim Klimaschutz.

Warum verteufelt „Bild“ Wärmepumpen,warum propagiert die FDP im Gegenzug Wasserstoff? Handelt es sich um eine koordinierteKampagne? Eine Kampagne von Medien, deren oberster Verlagschef Mathias Döpfner den Klimawandel bejubelt, die Grünen verachtet und die Liberalen zu fördern versucht, wie jüngst enthüllt wurde, und einer Partei, die wirtschaftsnahe Klientelpolitik betreibt? Untersucht man die weitläufigen Verflechtungen des Gasmarkts, finden sich darauf Hinweise.

Erdgas bleibt ein Milliardengeschäft

Der Handel mit fossilem Erdgas sowie der Betrieb der Infrastruktur (Netze und Speicher) ist ein Multi-Milliarden-Geschäft – das Habecks Klima- und Heizungspläne empfindlich stören könnte. Allein der größte deutsche Energieversorger Uniper, dessen wichtigste Produkte Gas und Strom für Großhandelskunden sind, erwirtschafte im Jahr 2021 einen Umsatz von 164 Milliarden Euro.

Im vergangenen Jahr führte die Energiekrise, ausgelöst durch Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine, zu heftigen Turbulenzen. Laut Branchenverein Zukunft Gas wurden 2022 fast 15 Prozent weniger Gas verbraucht als im Jahr davor. Dennoch hatte Erdgas mit 23,8 Prozent weiterhin den zweitgrößten Anteil am deutschen Primärenergieverbrauch – nach Mineralöl.

Deutschland heizt weiter vor allem mit Erdgas. Aktuell arbeiten in der Hälfte der Heizungskeller noch Gasheizungen, außerdem wird rund 50 Prozent der Fernwärme mit Gas produziert. Bei den neu installierten Heizungen blieben mit Gas betriebene Heizsysteme Marktführer, sie erreichten 2022 einen Marktanteil von rund 60 Prozent.

Damit dies so bleibt, mischt ein Lobbyverein der Branche hinter den Kulissen kräftig mit: „Zukunft Gas“. Der Verein, der bis Ende 2020 „Zukunft Erdgas“ hieß, vereint knapp 130 Unternehmen aus der Gas-Wirtschaft. Neben Stadtwerken sind auch Global Player mit von der Partie, etwa der Öl- und Gaskonzern Shell, der allein zehn Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantwortet. Eines der Hauptanliegen des Vereins: Erdgas als klimafreundlichsten fossilen Brennstoff und daher als notwendige „Brückentechnologie“ zu inszenieren, um das Gasgeschäft noch so lange wie möglich am Leben zu halten, beschreibt das Online-Lexikon Lobbypedia einen der „zentralen Akteure der Gaslobby in Deutschland“.

Nimmt die Politik die deutschen Klimaziele ernst, dann muss die Erdgas-Ära 2045 weitgehend enden. Im Geschäft bleiben will die Branche deshalb mit „erneuerbaren Gasen“ wie Wasserstoff (H2), verteilt und verfeuert in ihren Leitungen und Kraftwerken. „Dabei geht es zum einen darum, die Gasinfrastruktur zu erweitern und die Kosten auf die Verbraucher abzuwälzen“, sagt Nina Katzemich vom Verein Lobbycontrol. Absehbar ist jedoch bereits heute, dass klimaneutrales H2 aus Wind- und Solarenergie nicht ausreichend verfügbar ist, um alle fossilen Stoffe zu ersetzen. Deshalb wittert die Branche bereits ein milliardenschweres Zusatzgeschäft: Wasserstoff auf Basis von Erdgas, wobei klimaschädliches CO2 abgeschieden und gespeichert wird (Carbon Capture and Storage CCS). Nach der H2-Farbenlehre entsteht so türkiser oder blauer Wasserstoff. Allerdings ist H2 zu dekarbonisieren energieintensiv und teuer, die CO2-Speicherung umstritten. Dagegen arbeitet die „Stimme der Gas- und Wasserstoffwirtschaft“ bereits an. Die Bundesregierung müsse den deutschen Gasmarkt zum „europäischen Wasserstoff-Drehkreuz“ entwickeln, so Zukunft Gas.

Um erfolgreich zu sein, hat der Verein ein engmaschiges Netzwerk geknüpft. Seit Gründung 2013 steht Timm Kehler als Vorstand und Geschäftsführer an seiner Spitze. Seit 2020 ist er zudem Präsident der NGVA, der Lobbyvertretung der Europäischen Erdgasindustrie. Pikant auch: Kehler war lange als Manager bei BMW tätig. Der Münchner Autobauer setzt als einziger deutscher Hersteller weiter auf Wasserstoffantriebe.

Ein aktuelles Statement von Kehler zur GEG-Novelle liest sich wie ein Sprechzettel für Wärmepumpengegner bei „Bild“ und FDP. „Es ist falsch, wenn auf Bundesebene pauschal vorgegeben wird, wie die Wärmeversorgung von Gebäuden zukünftig auszusehen hat und welche Energieträger zum Einsatz kommen dürfen“, plädiert Kehler für eine „zielgerichtete Wärmeplanung in den Kommunen“ – was die Wärmewende allerdings um Jahre weiter verzögern würde.

Verflechtungen zwischen Verein und Politik

Kurze Drähte in die Politik besitzt der Aufsichtsratsvorsitzende des Vereins, Friedbert Pflüger. „Mit ihm hat der Verband einen extrem vernetzten und aktiven Gaslobbyisten an seine Spitze gesetzt“, so Lobbypedia. Der Christdemokrat Pflüger wurde von Nord Stream 2 bezahlt und flankierte den Pipelinebau mit Studien, enthüllte kürzlich der Spiegel. Vor Putins Überfalls auf die Ukraine warnte er vor Sanktionen gegen Russland.

Ein Blick lohnt auch auf den Vereinsbeirat, aus dessen Kreis gegen Habecks Heizungspläne agitiert wird, stets ohne die Mitgliedschaft bei Zukunft Gas transparent zu machen. Etwa durch Kai Warnecke. Bei „Bild“ warf der Präsident des Eigentümerverbands „Haus und Grund“ dem Wirtschaftsminister vor, die Kosten für die Wärmewende viel zu niedrig anzusetzen.

Direkte Verbindungen zu FDP-Ministern tun sich im Beiratsbereich „Politik/öffentliche Institutionen“ auf. Beirat Klaus Bonhoff leitet im Hauptberuf die Grundsatzabteilung im Bundesverkehrsministerium von Volker Wissing. Beirat Gerhard Holtmeier ist seit Dezember 2022 Geschäftsführer der UBG Uniper Beteiligungsholding GmbH. In dieser Funktion wurde er auf Vorschlag von Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) im März als neues Mitglied des Aufsichtsrats des Mutterkonzerns Uniper bestellt.

Christian Dürr, Chef der FDP-Bundestagsfraktion. Foto: Tobias Koch

Stadtwerke Esslingen werben offen für Gas

Fragen wirft das Gebaren einzelner Vereinsmitglieder auf. So bewerben die Stadtwerke Esslingen (SWE) Erdgasheizungen bis heute als effiziente, saubere und kostengünstige Art der Wärmeversorgung, während man zugleich „aufgrund der aktuellen Situation an den Energiemärkten momentan leider keine Sondertarife im Bereich Gas“ anbieten kann.

Tricksen und täuschen im Sinne von Zukunft Gas? „Diverse Studien von Energieverbänden und Bundesbehörden zeigen auf, dass Gas als Energieträger sowohl preislich als auch hinsichtlich der CO2- und Feinstaubemissionen anderen, konventionellen Energieträgern überlegen ist“, versucht sich ein SWE-Sprecher auf Anfrage herauszureden. Nichtsdestotrotz begrüße man die Diskussion um Erdgas. Denn sie beschleunige den Ausbau der erneuerbaren Energien, den man bereits aktiv mit vorantreibe, ergänzt er – und verkündet Überraschendes: „Die Stadtwerke Esslingen waren mehrere Jahre Mitglied bei Zukunft Gas, unsere Mitgliedschaft endet zu Ende dieses Jahres.“

Diesem Beispiel müssten eigentlich weitere Mitglieder des Vereins folgen. Denn die Mehrzahl von ihnen sind als Stadtwerke oder regionale Versorger im Besitz von Kommunen und öffentlichen Trägern, die sich längst zum schnellen Ausstieg aus fossilen Energien bekannt haben.

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