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Heutige Herrenreiter

Jugend begeistert sich für tödliches Brauchtum

„Jugendliche duellieren sich und verletzen Polizisten“, vermeldete dpa gestern lapidar die Wiederkehr des Duells, jenes beliebten Herrenreitersports vergangener Jahrhunderte, bei dem sich beleidigte Leberwürste nach Lust und Laune, aber festen Regeln aus dem Leben befördern konnten. Sogar ein Sozialist wie Lassalle beteiligte sich an ­einem Waffengang um seine Ehre, der Dichter Puschkin erlag einem Bauchschuss, nachdem ein erregter Briefwechsel partout mit Patronen weitergeführt werden musste. Spätestens mit dem Ersten ­Weltkrieg kam das Duell aus der Mode, die Nazis schossen ohnehin lieber auf Unbewaffnete in Gruben, und nicht einmal die empfindlichsten Diskursritter der alten Bundesrepublik wollten sich noch zu bewaffneten Ehrenhändeln hinreißen lassen. Doch nun feiert eine retroverliebte Jugend offenbar die Auferstehung der vergrätzten Mordbrennerei. Doch welche Waffen wählen digital vernetzte Duellenten? Die Konsole? Das Laserschwert? Und wo werden die maßgeblichen Duelle des 21. Jahrhunderts ausgetragen? Am Rio Grande? Auf Twitter? In der Cloud? Weit gefehlt, die Jugend Hamburgs liebt es klassisch vorgestrig und kackbürgerlich: „Laut der Polizei trafen sich die Jugendlichen am Montagabend mit Stichwaffen am Jungfernstieg.“ En garde!

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