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Bundesbehörde späht Bauwagen aus

Der Bremer Wagenplatz „Querlenker“ wurde mit Kameras beobachtet. Bremer Behörden hätten sie nicht aufgestellt, sagt der Senat. Bundesbehörden geben keine Auskunft, ob sie ermitteln

Aus diesen bunten Fenstern wurde der Wagenplatz Querlenker von einer unbekannten Behörde überwacht Foto: Archiv

Von Franziska Betz

Der Bremer Wagenplatz „Querlenker“ ist offenbar durch eine – bisher unbekannte – Bundesbehörde überwacht worden. Darauf deutet die Antwort des Senats vom Dienstag vergangener Woche auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion hin.

Im Dezember war bekannt geworden, dass der Wagenplatz, der sich auf einer Brachfläche hinter dem Güterbahnhof befindet, offenbar überwacht wurde. Im gegenüberliegenden Hochhaus in der Friedrich-Rauers-Straße fanden Unbekannte teure Überwachungstechnik. Das sogenannte „Papageienhaus“ wird auch vom queerfeministischen Zucker Club Kollektiv genutzt, das dort den Club p.ara betreibt. Anfang März protestierten Wa­gen­platz­be­woh­ne­r*in­nen gemeinsam mit dem Kollektiv.

„Monatelang wurde unser Alltag durch Bullenaugen beobachtet, unsere Beziehungen durchleuchtet“, heißt es im Aufruf zur Demo. Die Quer­len­ke­r*in­nen berichten von „Angst, Schlaflosigkeit und Paranoia“, die durch diese „Grenzüberschreitung“ ausgelöst wurden.

Auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion mit 25 Fragen antwortete der Senat ausweichend. Er teilte nun mit, dass die Maßnahmen „nicht auf dem Tätigwerden oder der Veranlassung einer bremischen Behörde“ beruhen.

Die städtische Gesellschaft Immobilien Bremen, der das Papageienhaus gehört, sowie die Innenbehörde hatten der taz bereits bestätigt, dass es „eine Sicherheitsbehörde“ war, der die Räume im sechsten Stock des Hochhauses für die Installation der Überwachungstechnik überlassen wurden. Daraus lässt sich schließen, dass es sich um eine Bundesbehörde handeln muss.

Drei Kameras und Gesichtserkennung

Die Sicherheitsbehörden des Bundes mauern. Eine Sprecherin des Verfassungsschutzes bittet „um Verständnis“, dass sich ihre Behörde „nicht zu etwaigen operativen Maßnahmen äußert“. Auch das Bundeskriminalamt teilt mit, dass es „grundsätzlich“ keine Auskunft darüber gebe, „ob und in welchen Sachverhalten Ermittlungen durchgeführt werden“.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz – der für die datenschutzrechtliche Überprüfung zuständig wäre – sagt, dass er „grundsätzlich keine Auskunft über die Rechtmäßigkeit von konkreten Überwachungsmaßnahmen erteilen“ könne.

Er weist allerdings auch darauf hin, dass Bürger*innen, das Recht haben „gegenüber der jeweiligen Behörde einen Auskunftsantrag zu stellen“, um zu erfahren, ob Daten gespeichert wurden. Das gelte auch, wenn sie nicht glauben, überwacht worden zu sein, aber sichergehen wollen, dass keine Daten über sie vorliegen.

Die Mitglieder des Parlamentarischen Kontrollgremiums des Bundestages, die über Maßnahmen von Geheimdiensten unterrichtet werden müssen, dürfen sich nicht mit den Mitgliedern des bremischen Kontrollgremiums austauschen. Mitglieder beider Gremien sind zur Geheimhaltung verpflichtet. Das parlamentarische Kontrollgremium in Bremen sei über den Sachverhalt „ausführlich unterrichtet“ worden.

Auf der Internetplattform Tumulte.org hat eine Gruppe, die sich selbst „Team Technik Abbau“ nennt, Anfang März einen Beitrag veröffentlicht und darin die gefundenen Geräte detailliert aufgelistet.

Laut dem Beitrag befanden sich in dem Raum im Papageienhaus drei Kameras, die alle auf den Wagenplatz gerichtet waren. Eine Kamera, war mit einem 14.000 Euro teuren Teleobjektiv ausgestattet. Die Kameras funktionieren auch bei ungünstigen Bedingungen wie Staub, Regen und Bewegung, können sich selbstständig den Gegebenheiten anpassen und hochauflösende Aufnahmen machen.

Die Geräte waren mit einem Programm verbunden, das die Bilder mit Hilfe Künstlicher Intelligenz in Echtzeit auswerten kann. Eine Gesichts- und Kennzeichenerkennung und ein Alarm per Mail an die Auf­trag­ge­be­r*in­nen ist ebenfalls möglich.

Auf Festplatten fand die Gruppe Videodateien und Testbilder, die den Eingangsbereich des Wagenplatzes sowie Personen und Autos zeigen. Die Auswertung der Daten zeige, dass die Überwachung mindestens ein Jahr gedauert haben müsse und die drei Kameras täglich im Einsatz gewesen seien, sagt die Gruppe.

Linke Projekte werden immer wieder mutmaßlich von staatlichen Stellen überwacht. In Hamburg ist 2019 die Überwachung eines linken Wohnprojekts mit Infoladen aufgeflogen. Das Gebäude wurde über mehrere Monate von einem gegenüberliegenden Altenheim aus beobachtet. Auch zwei Wohnprojekte in Tübingen wurden 2016 einen knappen Monat lang von der Polizei gefilmt. Die Überwachung stellte sich später als illegal heraus. Die Betroffenen haben in der Folge eine Meldestelle für solche Fälle eingerichtet. In Freiburg wurde 2014 ein autonomes Kulturzentrum von einer unbekannten Behörde überwacht.

Linksfraktion fordert mehr Kontrolle

Die Bremer Linksfraktion kritisiert „eklatante Mängel“ in der Kontrolle der Sicherheitsbehörden. Ihr innenpolitischer Sprecher Nelson Janßen sagt, dass „Bremer Behörden auch bei Tätigkeiten des Bundesamtes für Verfassungsschutz involviert“ seien und daher mehr Information möglich und „im Sinne der Betroffenen unbedingt nötig“ seien. Janßen kritisiert auch die Verschwiegenheitspflicht für Abgeordnete: „Wenn es schon diesen unserer Ansicht nach schädlichen Inlandsgeheimdienst weiter geben soll, dann mit einer funktionierenden parlamentarischen Kontrolle.“ Er fordert, dass sich die Bremer Abgeordneten mit ihren Ge­nos­s*in­nen aus dem Bundestag austauschen dürfen sollen. „Sonst ist dieses Kontrollrecht eine reine Farce.“

Inzwischen hat auch das Büro der linken Bundestagsabgeordneten Martina Renner eine Anfrage zu dem Fall an die Bundesregierung gestellt. Eine Antwort wird noch diese Woche erwartet.

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