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Einmal Dirk Nowitzki gewesen sein

Der Schauspieler Marcel Kohler führt am Deutschen Theater in der One Man Show „Dirk und ich“ in die Tiefen einer fragilen Psyche

Von Tom Mustroph

Gut, es ist eine Two Man Show. Schon im Titel ist das ersichtlich. Und relativ schnell taucht das Trikot der Dallas Mavericks mit der Nummer 41 auf, das Dirk Nowitzki, Deutschlands größter Basketballer, während seiner zwei Jahrzehnte andauernden Karriere in der US-Basketball-Liga NBA trug.

Nowitzki, 2,13 Meter groß und in Form einer ebenso großen Stehlampe auf der Bühne, wurde zum Idol des 2,03 Meter großen Schauspielers Marcel Kohler, als es dem so richtig schlecht ging. Wie Kohler in diese Krisen einführt, ist bemerkenswert. Er beginnt mit simplen Ticks, dem Ausräumen des Einkaufswagens im Supermarkt, weil seine schwäbelnde innere Stimme ihm einredet, die ganzen Sachen nicht zu benötigen. Er wurde im Discounter sogar Mitarbeiter des Monats, erzählt er, eben weil er alles so säuberlich in die Regale gestellt habe.

Diese schwarzhumorige Sicht auf die eigenen Unzulänglichkeiten nimmt ein. Man nimmt Kohler ab, einige S-Bahn-Stationen wieder nach Hause gefahren zu sein, weil er sich niemals sicher war, ob er den Herd tatsächlich ausgestellt hatte. Keinerlei Visualisierungstechniken halfen. Und dann kam noch die Ohnmacht während einer Vorstellung im Deutschen Theater hinzu. Was hier autobiografisch ist, was autofiktional, ist vom Zuschauersitz aus schwer zu entscheiden. Aber Kohler nimmt alle mit bei seinen introspektiven Achterbahnfahrten.

Und er nimmt auch mit beim Aufrichten mit Dirk, diesem so erfolgreichen Ballriesen aus Würzburg. Basketball-Nerds müssen allerdings ein paar Ernüchterungen verdauen. Gern hätte man ein paar mehr historische Spielszenen gesehen. Das Geräusch eines Balls, der durch die Reuse geht, ist wahrlich um Dimensionen anders als das, welches das vom Brett abprallende und ohne Netzkontakt aufditschende Spielgerät macht, oder gar jenes, das durch einen Fehlwurf erzeugt wird, bei dem weder Netz noch Brett getroffen werden. Kohler verhaut hier dramatisch einen Dunking im Erzählen darüber, wie nah spektakulärer Erfolg und komplettes Fiasko sein können. Dunking ist mit einer 100-prozentigen Torchance im Fußball zu vergleichen; es handelt sich um ein Stopfen des Balls von oben in den 3,05 Meter hoch gelegenen Korb; dazu ist enorme Sprungkraft vonnöten. Und warum Kohler nur dämliche Werbefilmchen seines Idols einblenden lässt, die schrille Liebesaffäre mit der Betrügerin Crystal Taylor, die Nowitzki sogar eine Schwangerschaft vorschwindelte, aber ausklammert, ist komplett unerklärlich. Denn hier werden Schwächemomente auch von Giganten geradezu exemplarisch sichtbar.

Auch dramaturgisch wirkt manches unausgewogen. Yoga-Übungen und Motivierungsgerede von Men­tal­trai­ne­r*in­nen werden vor allem der Lächerlichkeit preisgegeben. Erst als Kohler beginnt, sein Leben neu im Futur II zu erzählen, diesem „Ich werde gewesen sein“, und Nowitzki nachträglich in seine Kindheit einbaut, inklusive Familienfotos mit Dirk, bekommt der Abend wieder eine neue und interessante Farbe.

In diesen größeren Momenten macht „Dirk und ich“ genau das, was gutes Theater ausmacht: Fragen stellen, auch ans eigene Leben – und empathische Verbindungen aufbauen; zu diesem Bühnen-Ich vielleicht, zu der Person, die sich da entblößte, vielleicht auch zu sich selbst, weil sich das eigene Ich so wunderbar darin spiegeln lässt oder zu anderen realen Menschen im Lebensumfeld.

Deutsches Theater, wieder am 30. 3. und 8. 4.

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