: Der unbeschwerte Blick
FOTOGRAFIE 1953 reiste Yvonne von Schweinitz mehrere Monate durch den Mittleren Osten. Das Willy-Brandt-Haus zeigt ihre „Gesichter Afghanistans“
Eine junge Frau bereist 1953 Afghanistan und hält ihre Eindrücke fotografisch fest. Auf den Spuren des damaligen US-Präsidenten Truman begab sich Yvonne von Schweinitz, begleitet von dem Schweizer Journalisten Hans von Meiss-Teuffen, auf eine lange Reise. Dabei durchquerte sie mit einem Hillman Station Car Länder, die noch heute Ziel hartgesottener Traveller sind. Die Route führte entlang von Staudämmen und Kanalprojekten im Nahen und Mittleren Orient, von denen sich Truman erhoffte, damit die Bevölkerung für ein westlich-kapitalistisches System zu gewinnen können.
Trumans politisches Kalkül, so lehrt uns die Geschichte heute, ist nicht ganz aufgegangen. Doch die Bilder der Yvonne von Schweinitz halten den damaligen Optimismus fest. Das Willy-Brandt-Haus zeigt eine Auslese von 120 Schwarz-Weiß-Fotografien von ihrem zweimonatigen Aufenthalt in Afghanistan. Mit der Neugierde einer Zwanzigjährigen hat sich Yvonne von Schweinitz den Menschen angenähert. Vor der immer wiederkehrenden Kulisse der kahlen, afghanischen Gebirgszüge zeigt sie Männer beim Handwerk, Musikanten und Pilger, Menschen in simplen Lehmhäusern oder verschleierte Frauen am Fluss. Sie spürt der Geschichte eines Landes nach, dessen Grabmäler, Paläste und Moscheen den ständigen Kampf um eine Vormachtstellung eines seiner vielen Völker manifestieren. Zugleich hält sie das Gesicht eines noch jungen Staates fest, der sich mit einer zaghaften Industrialisierung ein Selbstbewusstsein verschafft.
Dass sie 1953 überhaupt durch Afghanistan reisen konnte, war etwas Besonders. Weder hatte Deutschland zu dem Zeitpunkt eine diplomatische Vertretung in Afghanistan, noch gab es eine Infrastruktur für Touristen. Yvonne von Schweinitz erhielt durch eine Diplomaten Eintritt in das Land, den sie bei einer Feier im Iran kennengelernt hatte: den Kulturattaché Abdul Ghafur Brechna.
Heute sind ihre Fotografien wertvolle Zeitdokumente. Sie hinterlassen für uns ein ambivalentes Bild von friedlichen Zeiten und herannahenden Konflikten. Straßenschilder etwa, in arabischen, kyrillischen und lateinischen Lettern, werden zu Symbolen eines bald eintretenden Konflikts zwischen den Fronten des Kalten Krieges. Besonders deutlich wird dieses ungute Gefühl bei der Betrachtung der gigantischen Buddha-Statuen von Bamiyan. Yvonne von Schweinitz, die damals nichts über deren Schicksal wissen konnte, das die Figuren 2001 von den Taliban zerstören ließ, lichtete die Kolossalwerke eher beiläufig ab.
Angesichts des Wissens um die Geschichte ist es erstaunlich, wie stark die Ausstellung in Nostalgie verharrt. Die Informationstexte im Stile eines besseren Reiseführers beschwören zu sehr die glücklichen Zeiten eines unangetasteten, früheren Afghanistans.
Viele Fotografien der Yvonne von Schweinitz kommen heutigen Bildern aus Afghanistan erstaunlich nahe. Sie zeigen Armut, Krankheit und strengen Islamismus und regen leicht zu einer Reflexion über die aktuelle Situation am Hindukusch an. Das, was beim Betrachter bleibt, ist Schwermut. SOPHIE JUNG
■ „Gesichter Afghanistans“. Willy-Brandt-Haus, Di.–So. 12–18 Uhr, Personalausweis erforderlich, bis 27. Mai