: „Die Kurve gerade gekriegt“
Mit den Stimmen von SPD und PDS verabschiedet das Abgeordnetenhaus das neue Kita-Gesetz. Opposition zeigt sich angesichts letzter Veränderungen beruhigt, stimmt aber trotzdem dagegen
VON SABINE AM ORDE
Nach einer Regierungserklärung von Klaus Wowereit und einer sehr engagierten Debatte um die Tarifeinigung bei der BVG war die Luft raus im Abgeordnetenhaus: Müde und vor leeren Rängen diskutierten die Abgeordneten gestern Nachmittag das neue Kitagesetz – und verabschiedeten es anschließend mit den Stimmen der rot-roten Koalition.
Obwohl die Regierung „die Kurve gerade noch mal gekriegt hat“, wie es die FPD-Bildungsexpertin Mieke Senftleben nannte, votierte die Opposition gegen das Gesetz. Schließlich, so betonte die grüne Jugendpolitikerin Ramona Pop, wolle die Koalition lediglich „den Status quo erhalten“ und tarne dies als Verbesserung. Lange Zeit allerdings hatte es so ausgesehen, als drohe eine massive Verschlechterung. Und vor allen diese prangerte die Opposition gestern an.
Denn der Entwurf, den Bildungssenator Klaus Böger (SPD) vor einigen Monaten vorgelegt hatte, enthielt viele Verschärfungen (taz berichtete). Das galt besonders für die Prüfung des Bedarfs – also der Zeit, die die Kinder in der Kita verbringen können. Er sollte sich viel strenger an den Arbeitszeiten der Eltern orientieren als bislang.
Das hätte zur Folge gehabt, dass viele Kinder sich weitaus kürzer in der Kita aufhalten würden. Besonders für den Nachwuchs von Arbeitslosen und Teilzeitkräften wäre das eine massive Verschlechterung gewesen: Arbeitslose Eltern hätten nur noch Anspruch auf einen Halbtagsplatz in der Kita gehabt, einen Hortplatz hätten ihre Kinder gar nicht mehr bekommen. Den Einrichtungen wäre entsprechend das Personal gekürzt worden. Zudem sollte der Bedarf häufig überprüft werden – wohl mit dem Ziel, den Betreuungsbedarf umgehend zu reduzieren.
Experten der freien Träger, der Bildungsgewerkschaft GEW und der Elternvertretungen hatten bei einer Anhörung im Jugendausschuss Ende Mai massive Kritik an dem Gesetzentwurf geübt. Sie wiesen darauf hin, dass der Anspruch, die Kindertagesstätten zu Bildungseinrichtungen zu machen, die auch Kindern aus sozial schwachen Familien bessere Chancen eröffnen, und die Kürzungen, die der Gesetzentwurf vorsieht, überhaupt nicht zusammenpassen.
Diese massive Kritik – und wohl auch die vorgezogene Bundestagswahl, wie der CDU-Jugendpolitiker Sascha Steuer betonte – führten dazu, dass die Fraktionen von SPD und PDS den Entwurf noch einmal überarbeiteten – und die meisten Verschärfungen strichen. Allerdings befürchten die Grünen, dass diese durch die Hintertür doch noch kommen: Fast alle strittigen Punkte, so Jugendpolitikerin Pop, sollen nun über Rechtsverordnungen geregelt werden.
Mit ihren Veränderungen ließen die rot-roten Fraktionen, wie Pop es nannte, allerdings „ihren Senator im Regen stehen“. Schließlich stammte der Gesetzentwurf aus seinem Haus. Böger freilich wollte davon nichts wissen: „Die Akzentuierung“, die das Parlament vorgenommen habe, so der Senator, komme ihm bildungspolitisch sehr entgegen.