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Archiv-Artikel

Ausgeklügeltes Geschäft mit Flächen

Um die Zubetonierung des Landes aufzuhalten, fordert ein Expertengremium der Stuttgarter Landesregierung handelbare Flächenzertifikate

Handelbare Flächenzertifikate sollen künftig den Landschaftsverbrauch bremsen. Das fordert der Nachhaltigkeitsbeirat der baden-württembergischen Landesregierung in einem jetzt vorgestellten Bericht. Vorbild ist der bereits eingeführte Emissionshandel, dessen Mechanismen auf den Flächenverbrauch übertragen werden sollen.

Der an der Universität Stuttgart angesiedelte und mit neun hochkarätigen Umweltwissenschaftlern besetzte Beirat hat seinen Vorschlag bereits präzisiert. Ausgangspunkt ist der Status quo: In Baden-Württemberg wurden in den vergangenen Jahren täglich zehn bis zwölf Hektar Landschaft zerstört – für Straßen, Gewerbe- und Wohngebiete. Diesen Flächenfraß wollen die Wissenschaftler kurzfristig auf acht Hektar täglich reduziert sehen; ab 2010 sollen es noch sechs Hektar sein, ab 2015 vier, und ab 2020 lediglich noch drei Hektar.

Um dieses Ziel zu erreichen, soll die Landesregierung alljährlich Flächenzertifikate in exakt jener Menge ausgeben, die dem anvisierten Ziel entspricht. Jede Kommune erhält dann – proportional zu ihrer Einwohnerzahl, oder nach anderen definierten Kriterien – ein entsprechendes Kontingent kostenlos zugeteilt. Gemeinden, die mehr Flächen asphaltieren und betonieren wollen, als ihnen zusteht, müssen anderen Gemeinden entsprechende Mengen an Zertifikaten abkaufen. Umweltverbrauch wird damit auch ökonomisch zu einem knappen Gut, dessen Preis sich am Markt bildet. Da die Summe an Zertifikaten aber landesweit limitiert ist, bleibt garantiert, dass die Umweltziele des Landes eingehalten werden.

Gegenüber dem geltenden Umwelt- und Planungsrecht eröffne das Instrument den Kommunen „deutlich größere Spielräume und eine höhere Flexibilität“, heißt es beim Nachhaltigkeitsbeirat. Denn Gemeinden, die auf die Ausweisung neuer Bauflächen verzichten, können durch Verkauf von Zertifikaten Einnahmen generieren. Dass dieses Instrument sowohl verfassungsrechtlich praktikabel ist, als auch durch die Gesetzgebungskompetenz des Landes gedeckt ist, ist aus Sicht der Wissenschaftler unstrittig.

Als ersten Schritt fordert das Expertengremium nun eine Art Planspiel auf Landesebene, damit sich Land und Kommunen mit diesem neuen Instrument vertraut machen können. Ähnlich hatte man sich auch an den Handel mit Kohlendioxid-Zertifikaten herangetastet.

Doch die Stuttgarter Landesregierung scheut sich, den Empfehlungen ihrer eigenen Experten zu folgen. Man habe sich „für ein anderes Instrument entschieden“, heißt es knapp im Umweltministerium – und zwar für eine schlichte Öffentlichkeitskampagne, die Kommunen zum sparsamen Umgang mit Flächen aufruft.

„Die Landesregierung hat die Vorschläge faktisch kassiert“, sagt Boris Palmer, Umweltexperte der Grünen im Stuttgarter Landtag. Widerstand der Landkommunen, die oft im Speckgürtel der Zentren expandieren, sei der Grund dafür.

Weil aus umweltökonomischer Sicht der Zertifikatehandel aber „grundsätzlich die richtige Idee“ sei, wie Palmer betont, müsse man nun weiter daran arbeiten, und sich um dessen konkrete Ausgestaltung bemühen. Statt Bedenken vorzutragen, sollte sich die Landesregierung das Wissen ihrer Experten zunutze machen, und nun ein zweites Gutachten zur Umsetzung der Zertifikate in Auftrag geben.

BERNWARD JANZING