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Aufbruch und Untergang

Sasha Waltz bietet für einen Tanzabend im Radialsystem Beethovens 7. Sinfonie und elektronische Musik von Diego Noguera

Von Katrin Bettina Müller

Schlicht „Beethoven 7“ heißt ein neuer Tanzabend von Sasha Waltz & Guests, der am Samstag im Radialsystem Premiere hatte. Beethovens Sinfonie Nr. 7, die 1812 als ein Benefizkonzert für Kriegsversehrte ihre Uraufführung erlebte, ist unter Choreografen beliebt, enthält sie doch viele an Tänze erinnernde Momente. Ihre Entstehung fällt in eine Zeit, als die Sehnsucht nach Freiheit überschattet wurde von der Restauration, die dem grausamen Ende der Französischen Revolution gefolgt war.

Bei Sasha Waltz und ihrem Ensemble aus 13 Tän­ze­r*in­nen überwiegt das Lichte und Leichte, eine Stimmung von Aufbruch, ein Feiern der Gemeinsamkeit in den vier Sätzen der Sinfonie. In den Bühnenraum des Radialsystems fällt etwas Licht durch die großen Bogenfenster, eine Ballsaalatmosphäre entsteht so im Nu. Ein Rhythmus, der immer mal wieder vorwärtsdrängt, trägt die Tanzenden leicht in Gänge und Läufe, treibt sie zu Paaren und Gruppen, lässt sie sich begegnen in langen Reihen. Etwas Beschwingtes und Feierndes liegt so über dem ersten Satz, das im zweiten zunächst etwas verhalten und gedämpft scheint, fast wie eine Erinnerung an fröhlichere Zeiten, bevor es dann doch wieder losgeht. Und so, wie sich die Arme strecken und öffnen und die Körper frei von Druck und Angst sich den Raum zur Entfaltung nehmen, vermeint man auch in der Musik etwas sich Öffnendes und Aufbauendes zu vernehmen.

Zwar gibt es auch kurze Momente der Spannung, wenn einzelne Tänzer und Tänzerinnen aus dem freundlichen Gruppenbild herausfallen, gegen den Sog der Erde ankämpfen, sich nur mit Mühe noch aufrechthalten, taumeln und zittern: Dann hat das etwas vom Bild eines Schicksalschlags. Aber es überwiegt der helle Grundton, die hoffnungsvolle Stimmung.

An „Beethoven 7“ hat Sasha Waltz schon vor zwei Jahren gearbeitet, damals in einer Inszenierung open air vor den antiken Tempelsäulen von Delphi in Griechenland. Die Sinfonie wurde dabei live aufgeführt und dirigiert von Teodor Currentzis. Dessen Interpretation wird nun als Aufnahme eingespielt.

Aber eine zweite Komposition, die im Radialsystem live gespielt wird, ist Beethoven vorangestellt, „Freiheit/Extasis“ von Diego Noguera. Der chilenische Komponist hat eine elektronische Klanglandschaft entwickelt, die während 40 Minuten über das Gehör nach dem Körper der Zuschauer greift und erst den Stuhl, dann das Zwerchfell vibrieren lässt. Anfangs ist es ein mystischer Weltdämmerungsklang, zu dem Wesen wie insektenähnliche Aliens auf die vernebelte und spacig beleuchtete Bühne kommen, noch zögernd, langsam, suchend, fremd. Später nimmt der Sound an Druck zu, die Wesen flüchten, etwas wie Einschläge und Splittern ist zu hören, eine Assoziation von Kriegslärm zieht auf. Jetzt sind viele Tänzer auf der Bühne, sie wirken teils verloren, sie hetzen und suchen, Unsicherheit ist mit den Händen greifbar. Ein Beat, der hart und schnell wird, nimmt sie schließlich in den Griff, lässt sie bis zur Erschöpfung agieren und dabei doch kaum von der Stelle kommen.

Das ist ein bedrückendes Vorspiel, das mit seinem akustischen Überwältigungswillen nicht unbedingt überzeugt. Aber diese dunkle Grundierung bildet dann doch einen starken Kontrast, vor dem man dann die Beethoven-Choreografie in ihrer Helligkeit umso erleichterter und dankbar entgegennimmt.

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