herzensort: Zwei Welten. Eine ist stärker
Als vor rund 20 Jahren der kleine Bioladen in der Kameruner Straße im Berliner Wedding eröffnete, waren Bioläden rar und unsexy. Was Gestriges hing ihnen an. Aber für uns war es praktisch; fehlte etwas, mussten wir nur rüber. So lernten wir Melinda kennen, die Inhaberin, Nachname: „Hassdenteufel“. Eine Visionärin.
Nachdem Melinda bitter an Krebs gestorben war, übernahm Kathrin, in deren Nachnamen sich „Wotan“ versteckt. Langsam wurde aus dem Gestrigen das Morgige. Bio wurde hip und Kathrins Laden ein Wunderreich. Ständig gab es Neues zu entdecken. Sultans Freude, Birkenzucker, Tonkacreme, Ingwer-Kurkuma-Sirup, schwarze Kichererbsen, Deo-Creme mit Bienenwachs. Öko wurde immer profitabler, die Vermarktung attraktiver. Nur unser Tante-Emma-Laden in Bio, wo man auch Espresso trinken, Pakete hinliefern lassen und handgestrickte Socken von Kathrins Mutter kaufen kann, wurde immer kleiner.
Jetzt ist Schluss. Ende März macht unsere soziale Anlaufstelle zu. Die Erlöse tragen die Ausgaben nicht mehr. Kathrins Laden und die Bio-Supermarkt-Ketten, es sind zwei Welten. Eine ist stärker. Waltraud Schwab
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen