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Archiv-Artikel

Der lange Weg zur Einfachheit

POP Die Berliner Band Super700 präsentiert sich auf ihrem dritten Album „Under The No Sky“ entspannt und gereift. Statt kompliziert klingt sie aufgeräumt und zwingend folgerichtig. Heute spielt sie im Lido

Ramadani singt immer den nächstliegenden Ton

VON THOMAS WINKLER

Es gibt Geschichten, die sind zu gut, um nur ausgedacht zu sein. Eine dieser Geschichten ist Super700 vor ein paar Monaten passiert, während die Berliner Band ihr neues Album aufnahm.

„Eines Tages“, erinnert sich Sängerin Ibadet Ramadani, als sie über das Arrangement für einen der neuen Songs diskutierten, „da fiel das Wort Streicher“. Tags darauf fand Ramadani eine Mail in ihrem Postfach: Ein Fan wollte der Band seine Bewunderung ausdrücken. Und falls man mal eine Klangbildauspolsterung benötige, er spiele da in einem Streichquartett, das gern zu Diensten stände. „Ich glaube nicht unbedingt an Fügung“, sagt Ramadani heute, „aber ich glaube schon: Das, was man sich wünscht, das zieht man auch an.“ Dann lacht sie: „Und manchmal klappt das sogar.“

Aber egal, ob Schicksal oder bloß Zufall: Auf „Under The No Sky“, dem dritten Album von Super700, ist das Kammerquartett gleich mehrfach zu hören und auch beim Record Release Concert heute im Lido wird es dabei sein. Man fragt sich höchstens: warum erst jetzt? Denn die Streicher fügen sich so selbstverständlich und logisch ins Gesamtbild, als wären sie schon immer da gewesen. Dabei ist eher das Gegenteil der Fall: Super700 waren bis eben eine Band, die allerhand konnte, aber Selbstverständlichkeit gehörte nicht dazu.

Stattdessen verfuhren Super700 seit ihrer Gründung 2003 meist nach dem Grundsatz: Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht. Das galt im Geschäftlichen, wo man einige unglückliche Entscheidungen traf, vor allem aber musikalisch. An den Instrumenten versuchte die Band geradezu krampfhaft jedes Stereotyp zu vermeiden. „Es war ein Kampf“, erinnert sich Ramadani an diese Jahre.

Ein Kampf, der sich lohnte. Die Band spielte eine extrem eingängige Rockmusik, die sich auf in der Popmusik sonst wenig gebräuchliche Harmonien und Melodieführungen verließ, die die Musiker aus Jazzformationen und dem Musikstudium mitgebracht hatten. Über die anspruchsvollen Arrangements legten Ibadet Ramadani und ihre beiden Background singenden Schwestern Ilirjana und Albana dann sich umschlingende Harmoniegesänge, die weder Rockröhre noch Elfenklischees bedienten.

Super700 schienen einerseits hitparadentauglich, andererseits aber auch einzigartig genug, um aus der Masse hervorzustechen. Als dann noch Gordon Raphael, der als Produzent der Strokes berühmt geworden war, aufmerksam wurde, Super700 zur „Musik der Zukunft“ erklärte und mit der Band ihr Debütalbum aufnahm, schien der Erfolg unvermeidbar.

Es kam anders. Super700 blieben Kritikerlieblinge, selbst das zweite Album, das unter der Regie des kaum weniger bekannten Produzenten Rob Kirwan entstand, der zuvor für U2 oder PJ Harvey gearbeitet hatte, führte nicht zum kommerziellen Durchbruch.

Seitdem ist die Band geschrumpft. Aus dem Septett ist ein Quartett geworden, auch die beiden Schwestern sind nicht mehr dabei. Aber: „Keiner wurde gegangen“, sagt Ramadani und legt Wert darauf, dass die Veränderung im Klangbild keine Folge der verkleinerten Besetzung sei: „Wir haben eine neue Ruhe und Gelassenheit gefunden, wir meinen nicht, immer das Rad neu erfinden zu müssen.“ Daran schuld aber seien eher „die Erfahrungen, die Reife, dass man gelitten und gelernt hat“.

Tatsächlich: „Under The No Sky“ ist unglaublich entspannt. Eine Platte, die jeden Moment eine Freiheit spüren lässt, die nur ohne Erwartungshaltungen entstehen kann. Ramadani singt immer den nächstliegenden Ton, die Gitarre bedient sich im altbekannten Fundus, aber anstatt abgeschmackt zu klingen, scheinen Super700 endlich zu sich selbst gefunden zu haben. „Wir haben die Einfachheit erst lernen müssen“, sagt Ibadet Ramadani.

Diese durchaus berückende Einfachheit kommt am deutlichsten in den Balladen wie „Decent Snow“ oder „Old Moon“ zum Ausdruck, deren Melodien in ihrer zwingenden Folgerichtigkeit zwar immer klingen, als kenne man sie schon, aber sich halt auch unweigerlich ins Gemüt graben. Es sind Melodien, mit denen Super700 nun doch noch jener Erfolg einholen könnte, der ihnen vor Jahren prophezeit worden war. Aber manche Geschichten sind vermutlich zu schön, um wahr zu werden.

■ Super700: „Under The No Sky“ (Motor Music/Rough Trade), live: heute, 20 Uhr, Lido