Mach mit, mach’s besser

DO IT YOURSELF Selbermachen ist schöner als fertig kaufen, das zeigt derzeit eine Sonderausstellung im Museum für Kommunikation

Ende der 60er-Jahre wurde es dann auch beim Heimwerken revolutionär

In der obersten Etage des Museums für Kommunikation sieht es derzeit so aus wie auf dem Mauerpark-Flohmarkt. In improvisierten Kisten und auf Tischen aus Europaletten liegen dort die gefilzten Geldbörsen, gestrickten Stulpen und Taschen aus Lkw-Plane, die jeder Berliner entweder besitzt oder selbst anfertigt. Doch hier wird nicht verkauft, sondern nur demonstriert, wie weit sich die klassische Handarbeit mittlerweise entwickelt hat. „Do It Yourself. Die Mitmach-Revolution“ heißt die Ausstellung, die sich ausführlich mit diesem Prozess beschäftigt. Indem sie ihre Exponate nicht in handelsüblichen Vitrinen, sondern in selbstgebauten bunten Boxen präsentiert, macht sie sich gleich selbst zum Teil der Bewegung.

Alles begann mit ein bisschen zu viel Freizeit und den Frauen des 19. Jahrhunderts, die sich mit Stricken und Sticken die Zeit vertrieben. Von großem praktischen Nutzen waren die Spitzendeckchen, die damals entstanden, jedoch nicht. Ganz im Gegensatz zu der Haushaltswaage oder dem Nadelkissen, die während des Zweiten Weltkriegs von findigen Hausfrauen aus Volksgasmasken gebastelt wurden. Zeiten des Mangels fordern eben das Improvisationstalent, wie auch die ausgestellte Rohrpostanlage aus einem Postamt in Ost-Berlin beweist, die von zwei Handstaubsaugern angetrieben wurde. Allein die Farben der angesprochenen Stücke – Militärisch-Grün und Mausgrau – zeigen aber, dass es da nicht um kreative Selbstverwirklichung ging.

Wesentlich besser hatten es da die Männer in Westdeutschland, für die Heimwerken ab Mitte der 1950er-Jahre ein anerkanntes Hobby war. In den zeitgleich entstehenden Baumärkten konnten sie sich dafür gleich eindecken; für Inspiration sorgte die Zeitschrift Selbst ist der Mann, von der die Macher der Ausstellung einige Exemplare aufgetrieben haben. Die Cover zeigen, dass man darin nicht nur lernen konnte, wie man ein Gewürzregal und ein Campmobil baut. Sie dokumentieren auch, wie sich die Medien damals den Heimwerker von Welt vorstellten, nämlich in Schlips und Kragen, aber mit dem Hammer in der Hand.

Ende der 60er-Jahre wurde es dann auch beim Heimwerken revolutionär. „Selber machen als Selbstermächtigung“ war das Motto, nachdem Buttons bedruckt und T-Shirts bemalt wurden. Ausgestellt sind auch Ausgaben des Pflasterstands, einer alternativen Stadtteilzeitung aus Frankfurt am Main, und die besten Rezepte der „Küchenbrigade“. Diese versorgte die Gegner der Startbahn West mit Essen und belegt heute, dass man unter „Do it yourself“ so ziemlich alles verstehen kann, was nicht fertig aus einer Fabrik kommt – sogar Kochen.

Zumindest wird der Begriff in der Ausstellung so interpretiert. So landet dort auch die Computergeneration, die sich im Internet individuell Turnschuhe gestaltet und T-Shirts mit selbst ausgewählten Motiven bedrucken lässt. Bei dem Versuch, alle erdenklichen Entwicklungspfade der Bewegung zu berücksichtigen, verirrt sich die Ausstellung da kurzzeitig beim selbstgemachten Mausklick.

Dabei beweist sie zwei Vitrinen weiter, dass die Gegenwart durchaus noch ausreichend moderne Heimwerker zu bieten hat, die wirklich mit den Händen arbeiten. Neben den bereits angesprochenen Mikrounternehmern, die an der heimischen Nähmaschine Taschen, Mützen und Kulturbeutel fertigen, werden etwa Guerilla-Gärtner oder Baustler vorgestellt. Letztere kombinieren Erfindergeist mit Elektronik und entwickelten so zum Beispiel die Pflanze, die twittert, wenn sie Wasser braucht. Per Video erklären Mitglieder der jeweiligen Bewegung ihre Faszination für ihr Hobby. Auch ein Freizeitfunker kommt an dieser Stelle zu Wort, der sich in Zeiten des Internets diebisch über einen gelungenen Kontakt nach Übersee freuen kann.

Denn beim Selbermachen ist für jeden etwas dabei, egal welches Alter oder welche Interessen er auch haben mag. Ob man eine Gartenlaube zimmert oder seinem Computer einen Tower aus Legosteinen baut, alles ist erlaubt und alles ist möglich – mit diesem Eindruck verlässt man die Ausstellung. Dass sie nicht nur eine historische Einordnung, sondern vor allem Motivation bietet, zeigt sich am Ausgang beim Basteltisch. Eigentlich soll dieser nur als Exponat dienen, doch die bereitstehenden Perlen, Farben, Klebe und Hammer waren wohl zu verlockend. Nun hängen dort Schilder, auf denen „Geschlossen“ und „Bitte nicht berühren“ steht. „Gehen Sie zum Heimwerken bitte nach Hause“ hätte noch gefehlt.JULIANE WIEDEMEIER

■ „Do It Yourself. Die Mitmach-Revolution“, Museum für Kommunikation, bis zum 2. September immer Di. 9 bis 20 Uhr, Mi. bis Fr. 9 bis 17 Uhr, Sa./So. 10 bis 18 Uhr