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Archiv-Artikel

Warten in der Schuldenfalle

Ohne weitere Sanierungshilfen wäre Bremen am Ende – Bremen hat aber bisher keine Strategie für den Weg zum großen Geld. Das Warten auf das Berlin-Urteil birgt Risiken

Von kawe

Bremen taz ■ Der Bremer Senat muss eine Strategie für den Überlebenskampf des Stadtstaates nach dem Scheitern der Hoffnungen auf den „Kanzlerbrief“ entwickeln, das haben die SPD-Spitzenpolitiker Carsten Sieling und Jens Böhrnsen im Februar dieses Jahres gefordert. Bisher ohne Erfolg. Jahr für Jahr wird der Schuldenberg um etwa eine Milliarde Euro wachsen, das Ende der Fahnenstange ist absehbar – der Senat hat bisher nicht beschlossen, was er dagegen tun will. Man wartet, das ist die offizielle Auskunft, bis das Berliner Klageverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden ist. Am Freitag war in der Vortragsreihe „Zukunft der Stadtstaaten“ der „Bevollmächtigte“ Bremens für die Berliner Verfassungsklage angekündigt, der Bielefelder Verfassungsrechtler Johannes Hellermann. Er hat die Schriftsätze, mit denen Bremen in dem Berliner Verfahren in Karlsruhe Stellung genommen hat, formuliert. Wer aber erwartet hatte, sein Vortrag in der Stadtbibliothek würde mehr Klarheit bringen in Hinblick auf die Ansprüche Bremens auf weitere Sanierungshilfe, der wurde enttäuscht. Welche Gesichtspunkte die Karlsruher Richter in ihrem Hinterkopf bewegen, das könne man nicht wissen, meinte Hellermann auf Nachfrage. Für dieses Jahr ist das Berlin-Urteil bisher nicht angekündigt.

In einem früheren Vortrag in derselben Reihe hatte der Präsident des Bremer Oberverwaltungsgerichtes, Matthias Stauch, seine Skepsis darüber formuliert, dass das Abwarten für Bremen die klügste Strategie sei. Stauch war der Bremer Experte in dem erfolgreichen Klageverfahren vor zwölf Jahren. Das Verfassungsgericht könnte, so fürchtet Stauch, in seiner Berliner Entscheidung etwas zu Bremen sagen, was die Bremer Klagemöglichkeiten einschränken würde – ohne dass Bremen vorher seine Argumente auf den Tisch legen könnte. Juristen sprechen von einem überraschenden „orbiter dictum“, wenn ein Gericht in einem Urteil seine Linie für mögliche zukünftige Verfahren festlegt. „Möglichst frühzeitig“, so Stauch, müsse Bremen seine Klage einreichen, damit seine Klagegründe nicht mit einem „orbiter dictum“ erledigt werden können.

Aber bevor ein Bundesland klagen kann, müsste im Bundesrat die Forderung nach neuen Sanierungshilfen über die Änderung des Finanzausgleichsgesetzes angemeldet werden. Erst wenn der Bundesrat das ablehnt, kann Bremen den Rechtsweg nach Karlsruhe beschreiten. kawe