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Pazifische Mammutbäume im Nebel

Stark veränderte Landschaftsbilder, Popsongs und Archivfilme: Künstler Sky Hopinka vergegenwärtigt in der Galerie Tanya Leighton indigenes Erleben in den USA

Karaoke mit Prärie im Background: „Sunflower Siege Engine“ Foto: Filmstill: Sky Hopkins

Von Julia Gwendolyn Schneider

Sky Hopinkas Film „Sunflower Siege Engine“ hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Der auf Video übertragene 16-mm-Film verströmt die Wärme gesättigter Farben einer längst vergangenen Ära. Die nostalgische Ästhetik ist mit historischem Archivmaterial kombiniert und mit abstrakten Mehrfachbelichtungen wie auch Invertierungen, die den experimentellen Charakter des Films unterstreichen. Inhaltlich vermittelt es dies: Die Vergangenheit reicht in die Gegenwart und das Persönliche verbindet sich mit dem Kollektiven.

Hopinkas collagierter Film blickt auf das Leben indigener Communities in den USA, fragt nach gemeinsam Verdrängtem und kollektiv Gelebtem, setzt sich kritisch mit dem Siedlerkolonialismus auseinander und bringt den anhaltenden Widerstand indigener Gemeinschaften zur Sprache. Hopinka, 1984 in Ferndale, Washington geboren, gehört zur Ho-Chunk-Nation und ist ein Nachkomme der Pechanga Band of Luiseño. Gegenwärtiges indigenes Erleben schien ihm auf der Leinwand noch nicht genügend dargestellt, daher begann er Filme zu drehen. Hopinka folgt dabei einer „ethnopoetischen“ Filmpraxis, einem Ansatz, den Eliot Weinberger prägte: Indigene sollten auch die eigene Sicht der Dinge darstellen.

In den letzten Jahren haben Hopinkas alternative Formen des Geschichtenerzählens zunehmend Bekanntheit erlangt. Heute befinden sich seine Werke in den Sammlungen führender US-amerikanischer Museen. Sein 12-minütiger Film, der derzeit in der Galerie Tanya Leighton gezeigt wird, entstand im Auftrag des San José Museum of Art und des Projekts „Visualizing Abolition“ der University of California Santa Cruz. Das Projekt hinterfragt ein System der Haftstrafen und will Gerechtigkeit vielmehr durch Kunst und Bildung erreichen.

In Hopinkas Film erstrecken sich pazifische Mammutbäume im Nebel, das Meer wird sichtbar, der Soundtrack ist melancholisch. Die Worte „Holt sie raus“ tauchen im Bild über tosenden Fluten auf. als klage der Ozean selbst die Gefangenschaft an.

Hopinka zeigt Archivmaterial von der Besetzung von Alcatraz im Jahr 1969. In einem 19-monatigen Protest hatten amerikanische Ureinwohner und ihre Unterstützer die Insel und das ehemalige Bundesgefängnis in der Bucht von San Francisco eingenommen. Der Anführer des Protests, Richard Oakes, ein Mohawk und Aktivist, schildert darin die Ähnlichkeiten zwischen dem Gefängnis und einem Indianerreservat, beide seien restriktive, strafende Orte.

Oakes spricht das transformative Potenzial an, das in der Anerkennung von Alcatraz als Land für die Indigenen läge: „… außerdem wäre es passend und symbolisch, dass Schiffe aus aller Welt, die in die Golden Gate einfahren, zuerst Indianerland sehen und so an die wahre Geschichte unserer Nation erinnert werden.“

Gefängnis und Indianerreservat, beides seien restriktive, strafende Orte

In seinem Film verbindet Oakes Worte mit einer Grabhügellandschaft, fängt einen Baum im leuchtenden Gegenlicht ein, bis eine ausgestreckte Hand imClose-Up das Bild überlagert. Die Hand tastet durch stark verfremdete Landschaftsbilder, während der Song „Tidal Wave“ von Room Thirteen den Sountrack für diese emotionale Reise liefert. Eine poetische, vieldeutige Sprache ist für Hopinkas Kunstfilme zentral. Für „Sunflower Siege Engine“ benutzt er Zeilen aus seinem Gedicht „Believe you me“. Sätze daraus befinden sich auch auf Fotoarbeiten, die bei Tanya Leighton neben dem Film gezeigt werden. Handschriftlich sind die Worte in die Fotografien eingraviert worden, verknüpfen Sprache und Landschaft eng miteinander. Die Textpassagen fügen sich inhaltlich wie bildlich in die Motive ein und verbinden indigene Weltanschauungen mit verschiedenen Strategien bildlicher Darstellung. Auf einem dünnen Drahtzaun unter einem Wolkenhimmel steht in weißer Schreibschrift: „Für Todeslieder ist keine Zeit, wir erinnern uns sowieso nicht mehr an sie.“ Mit denselben Worten endet Hopinkas Film.

Sky Hopinka: Tanya Leighton, Kurfürstenstr. 24/25, bis 25. 2.

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