das wetter: Der Fingerbefeuchter
Das Beste waren die Schlürfgeräusche. Seitdem Viktor seinen neuen Job als Fingerbefeuchter angetreten hatte, ging es aufwärts für ihn. Da saß er in seinem froschgrünen Anzug und befeuchtete die Finger von Leserinnen, eine wirklich einträgliche Arbeit. Nur die Hebamme, die im Nebenraum ihre Übungswehen machte, nervte ihn etwas. Diese Psychotante, wie Viktor sie klammheimlich nannte, machte selbst ihren Kaffee morgens zu laut. Zisch, zisch, rumpel, rumpel. Wieder wurden ihm ein paar Mittelfinger durch die Trennwand gesteckt. Er leckte mit Hingabe. Auf der anderen Seite der Wand geierte eine junge Frau, sie war wohl etwas kitzelig, wie Viktor dachte. Allerdings war sie eine mutige Fashion-Braut, die eine Wandlung durchgemacht hat. Leider trug sie den kleinen Fehler äußerst trockener Ring- und Mittelfinger davon. Zum Glück gab es Viktor, den Fingerbefeuchter. Für fünfzehn Euro die Stunde.
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