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Archiv-Artikel

Der Verschollene

1945 Neue Theorie über Raoul Wallenberg

Er hatte im Benzintank seines Pkw Goldschmuck versteckt

Tausende von Juden rettete der schwedische Diplomat Raoul Wallenberg 1944 im von Nazideutschland besetzten Ungarn durch das Ausstellen von „Schutzpässen“. Selbst wurde er am 14. Januar 1945 von einer Einheit der Roten Armee in Budapest verhaftet. Die Sowjetunion und später Russland behaupten, er sei 1947 im Lubjanka-Gefängnis in Moskau „verstorben“. Beweise gab es nie. Warum es zu seiner Verhaftung kam, dafür gibt es jetzt eine neue Theorie. In einem im Juni erscheinenden Buch legt der schwedische Historiker Bengt Jangfeldt Dokumente vor, wonach Wallenberg auf dem Weg nach Schweden war, als die Sowjets ihn stoppten. Er hatte große Mengen Bargeld unterschiedlichster Währungen bei sich und im Benzintank seines Pkw etwa 20 Kilogramm Goldschmuck und Edelsteine versteckt. Wertgegenstände, die jüdische Flüchtlinge ihm anvertraut hatten und die er wohl vor dem Zugriff der Nazis als auch der Roten Armee retten wollte.

Für die Sowjets hätte aufgrund dieses Funds der Verdacht nahe gelegen, es handle sich um Nazi-Gold. Was auch zu der damals in Moskau herrschenden Annahme gepasst habe, Wallenberg sei in Wirklichkeit ein deutscher Spion. „Eine äußerst merkwürdige Vorstellung“, sagt Jangfeldt, denn zwischendurch habe man den schwedischen Diplomaten auch für einen Spion der USA gehalten. Der Goldfund, so Jangfeldt, könnte auch erklären, warum sich Stockholm nach Kriegsende so wenig um das Schicksal seines verschwundenen Diplomaten gekümmert habe. „Es ist zwar völlig undenkbar, dass Wallenberg die Absicht hatte, die Wertgegenstände selbst zu behalten“, sagt der Historiker, auch hätten ja seine Mitarbeiter von dem Transport gewusst. Aber es habe beim schwedischen Außenministerium ein grundsätzliches Misstrauen gegen Wallenbergs Aktivitäten gegeben. Dort habe man womöglich Angst vor der peinlichen Geschichte eines Diplomaten gehabt, der unter dem Verdacht stehen könnte, Juden geplündert zu haben.

Der Historiker Wilhelm Agrell, selbst Verfasser eines Wallenberg-Buchs, meint, an Jangfeldts Theorie könnte etwas dran sein: „Möglicherweise unbehagliche Geschichten hat man beim Außenministerium in der Schublade gelassen. Und der Verdacht finanzieller Unregelmäßigkeiten gehört ja in Schweden mit zum Schlimmsten, was man jemand vorwerfen kann.“REINHARD WOLFF