: „Ein gewichtetes Abitur ist nicht praktikabel“
StudentInnen nach fächerspezifischen Abiturnoten auszusuchen ist ungerecht, sagt Jörg Steinbach, Vizepräsident der TU. Er hätte die endgültige Immatrikulation lieber an eine zusätzliche Prüfung im ersten Studienjahr gebunden
taz: Herr Steinbach, Sie waren gegen eine Novelle des Hochschulzulassungsgesetzes. Sind Sie nun zufrieden, dass sich so gut wie nichts ändert?
Jörg Steinbach: Die abgemilderte Regelung ist gegenüber dem ersten Entwurf eine Verbesserung. Insofern sind unsere Einsprüche nicht völlig wirkungslos geblieben. Ich kann aber nicht behaupten, dass ich damit glücklich bin. Vor allem ein gewichtetes Abitur halte ich für nicht praktikabel.
Für Schüler, die bis auf Deutsch im Abitur gut abgeschnitten haben und bei Ihnen an der Technischen Universität Maschinenbau studieren wollen, ist das doch von Vorteil.
Wir werden nur schwer ein gerechtes Verfahren formulieren können. Bleiben wir beim Beispiel Maschinenbau: Ein Schüler hatte Mathe und Physik als Leistungskurse, die dann bei uns noch mal einzeln und positiv gewichtet werden. Ein anderer hatte aber Englisch und Physik, wobei Englisch nicht gesondert gewertet wird. Er ist also im Nachteil, gleichzeitig erwarten wir aber natürlich auch ein Höchstmaß an Sprachkompetenz. Den Schülern müsste schon vorher unser Verfahren bekannt sein, damit sie danach ihre Kurse in der Oberstufe wählen.
Die ganze Aufregung ist aber umsonst. Im Gesetz steht ja auch, bis zu 60 Prozent werden die Studienplätze von den Universitäten vergeben. Die Auswahlverfahren sind also freiwillig. Wie werden Sie es handhaben?
Für das kommende Wintersemester werde ich dem Akademischen Senat empfehlen, beim alten Verfahren, also ausschließlich bei der Vergabe nach Abiturnoten zu bleiben. Danach müssen wir diskutieren, in welchen Studiengängen universitäre Auswahlverfahren Sinn machen.
An welche Fächer haben Sie gedacht?
Im Verhältnis zum Verwaltungsaufwand macht es nur da Sinn, wo die Nachfrage die Angebote um ein Vielfaches übersteigt. Das sind bei uns vor allem die Fächer Architektur und Biotechnologie. Beide haben signalisiert, dass sie an Auswahlverfahren interessiert sind. Diese könnten dann Pilotprojekte sein.
Auch bisher hätten Sie 20 Prozent Ihrer Studierenden schon selbst auswählen können. Warum ist das nicht geschehen?
Bei 20 Prozent standen der Aufwand und das Erfolgsverhältnis in keinem vernünftigen Verhältnis. Nur im Bereich der gebührenpflichtigen Weiterbildungsstudiengänge, zum Beispiel bei „Global Production Engineering“, sind Auswahlverfahren bei uns schon Praxis.
Sie haben die vom Wissenschaftssenat vorgeschlagenen Kriterien, wie etwa den Studierfähigkeitstest, stets kritisiert. Was sind Ihrer Meinung nach geeignete Methoden bei der Auswahl?
Die Studierfähigkeitstest habe ich deshalb abgelehnt, weil ich es für juristisch fragwürdig halte, einerseits mit dem Abitur die allgemeine Hochschulzulassungsberechtigung zu bescheinigen und andererseits diese noch mal abzuprüfen.
Ich würde die potenziell Studierenden gerne nur nach Abiturnote aufnehmen und im Laufe des ersten Studienjahres die endgültige Immatrikulation an einen Mindeststudienerfolg binden. Auf die Art und Weise könnten sich die jungen Menschen viel besser an der Uni orientieren. Leider hat uns der Gesetzgeber diesen Wunsch nicht erfüllt.
INTERVIEW: TINA HÜTTL