: Einer schwimmt gegen den Strom
WASSER Der Vertrag zwischen dem Senat und RWE schien perfekt – doch Miteigner Veolia klagt
Für RWE war die Sache klar: Der Senat würde jenen Anteil an den Berliner Wasserbetrieben (BWB) zurückkaufen, den das Land 1999 an den Essener Energiekonzern abtrat. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos) zierte sich zwar noch, aber der Kauf schien sicher. Nun aber sieht es so aus, als ob der zweite private Teilhaber, der französische Mischkonzern Veolia, den Deal zumindest verzögern könnte: Veolia sieht sich in seinen Rechten verletzt und wehrt sich juristisch. Die Finanzverwaltung müht sich, den Eindruck eines Verhandlungsstopps kleinzureden, spricht aber auch noch nicht von einer Einigung. „Wir sind im Gespräch mit RWE“, sagte eine Sprecherin.
620 Millionen Euro
Der Senat hatte schon Anfang 2011 zu Zeiten der rot-roten Koalition Kaufgespräche mit RWE begonnen. Laut Nußbaum forderte das Unternehmen anfangs 800 Millionen Euro. Angeblich sind daraus inzwischen rund 620 Millionen geworden, die die Finanzverwaltung allerdings nicht bestätigt. RWE hält wie Veolia 24,9 Prozent der Anteile an den BWB. Dem Land gehören zwar 50,1 Prozent und damit die Mehrheit. Die Vertragsgestaltung von 1999 sichert den privaten Teilhabern aber das Sagen zu. Veolia befürchtet nach eigenen Worten durch das Geschäft „erhebliche Rechtsunsicherheiten“ und strebt eine einstweilige Verfügung an. Dazu ist nach Veolia-Angaben für den 30. Mai eine mündliche Verhandlung am Landgericht angesetzt.
Den Kaufpreis will Nußbaum aus den Erträgen und dem Vermögen der Wasserbetriebe abzahlen. Die Grünen halten die kolportierten 620 Millionen für überteuert, vor allem, weil die Einnahmen künftig wegen geringerer Wasserpreis sinken würden. Das Bundeskartellamt hatte die bisherigen Preise als überhöht kritisisiert. Dass die Wasserpreis künftig um 20 Prozent sinken und das Land über die BWB weniger Geld verdienen könnte, ist für Nußbaum jedoch nicht entscheidend: Für ihn ist der Rückkauf der BWB quasi eine Investition für die Ewigkeit, weshalb einige Jahre des Abzahlens mehr egal seien.
Für den Berliner Wassertisch, der den im Februar 2011 erfolgreichen Volksentscheid zur Offenlegung der Wasserverträge anstieß, ist das Reingrätschen von Veolia sinnbildlich. „Der Gang der Dinge zeigt: Wer sich mit den Konzernen einklässt, gerät unter die gierigen Wölfe“, sagte ein Sprecher der Initiative am Dienstag. Was Veolia als „rechtlich einwandfreie Lösung“ anstrebe, ist für ihn nicht anderes als der Versuch, die Kontrolle bei den BWB zu behalten. „Nimmersatt Veolia“ überschrieb die Initiative ihre Mitteilung.
Veolia selbst bestreitet, den Rückkauf sabotieren zu wollen. Der Schritt vors Gericht „richtet sich ausdrücklich nicht gegen die Absicht des Landes, Anteile von RWE zurückzukaufen“, so der Chef von Veolia Wasser, Michel Cunnac. „Wir engagieren uns für eine Fortentwicklung der Partnerschaft mit Berlin.“
STEFAN ALBERTI
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